Tür zu: Für viele ist seit August noch einmal eine Hürde auf dem Weg zum Wohntraum hinzugekommen.

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Es ist ein am Immobilienmarkt alltägliches Szenario: Eine Jungfamilie möchte sich ein Haus im Speckgürtel kaufen und dafür die kleine Eigentumswohnung in der Stadt verkaufen. Weil die bestehende Immobilie aber erst verkauft werden kann, wenn die neue bezogen wird, fehlt es am nötigen Geld.

Überbrückt wird diese Zeit mit einer Zwischenfinanzierung von der Bank, die, sobald das Geld am Konto einlangt, getilgt wird. Was davon nicht abgedeckt wird, wird in Form eines langfristigen Kredits zurückgezahlt.

Seit dem heurigen Sommer funktioniert das aber nicht mehr ganz so unkompliziert: Denn die neuen, strengeren Immobilienkreditvergabe-Richtlinien betreffen auch Zwischenfinanzierungen. Theoretisch, kritisieren Immo-Fachleute, müsste man nun die Wohnung erst verkaufen – und eine neue Immobilie dann kaufen, wenn das Geld aus dem Verkauf auf dem Konto gelandet ist. Das ist praktisch schwierig – darum scheitern viele an der Finanzierung.

Ärger bei Betroffenen

"Es gibt schon Fälle, bei denen eine Ablehnung nicht nachvollziehbar ist", urteilt Bernd Lausecker, Finanzexperte vom VKI. Auffallend viele Anfragen verzeichnet er dazu allerdings nicht. Insgesamt sieht Lausecker die Vergaberichtlinien aber positiv: "Es gab oft genug Menschen, die bei der Finanzierung bis an die Schmerzgrenze gingen und die jede Zinssatzerhöhung vor Probleme gestellt hat."

Nicht nur Wohnungssuchende und Häuslbauerinnen haben mit der Situation keine Freude, wenig überraschend sind auch die Banken nicht glücklich damit. Der Kritikpunkt: Zwischenfinanzierungen unterliegen den gleichen Prüfschritten wie alle Hypothekarfinanzierungen und werden in der aktuell geltenden Verordnung nicht separat berücksichtigt.

Die Folge: Mit den neuen Richtlinien darf die monatliche Tilgungsrate 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen. Dieser Rahmen wird aber häufig gesprengt, wenn nicht nur der langfristige Kredit, sondern auch die Zwischenfinanzierung hineingerechnet werden. Und das, obwohl die Bankkundinnen und -kunden nach dem Verkauf ihrer Bestandsimmobilie sofort wieder Geld haben, mit dem sie die Zwischenfinanzierung an die Bank zurückzahlen können.

Mehrere Ausnahmekontingente

Damit seien Umsetzungen solcher Finanzierungen "fast immer" an das Ausnahmekontingent gebunden, heißt es vonseiten der Erste Bank. Diese stehen den Banken – etwa für Härtefälle – zur Verfügung, allerdings nicht nur für Zwischenfinanzierungen, sondern für alle Kredite. Wie groß diese Ausnahmekontingente sind, ist genau festgelegt. Basis bildet das Neugeschäft aus der Vorperiode, das absolute Kontingent ist also von Bank zu Bank unterschiedlich.

Auch bei der Raiffeisen Stadtbank heißt es auf Anfrage, dass Zwischenfinanzierungen derzeit nur sehr selektiv möglich seien, da durch die einzuhaltenden Kriterien fast alle ins Ausnahmekontingent fallen und dieses dadurch zu einem beträchtlichen Teil ausgeschöpft werde. Man begrüße eine Evaluierung und Überarbeitung.

Diese hat Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bereits angekündigt. Aktuell würden Daten von allen Banken eingesammelt, dann werde man sich die Lage weiter ansehen, hieß es diesbezüglich von der OeNB im Zuge einer Pressekonferenz zur Finanzmarktstabilität. Im ersten Quartal 2023 soll die Datenbasis dann ausreichend sein, damit bei der nächsten Finanzstabilitätssitzung die Debatte starten kann. Dass es bei den Zwischenfinanzierungen letztlich zu Lockerungen kommen könnte, sei möglich, ließen die OeNB-Experten verhalten durchblicken.

Unleistbare Immobilien

An den Grundpfeilern der Verordnung werde aber nicht gerüttelt, heißt es. Die Einführung der Kriterien sei dringend nötig gewesen. Immobilien seien wegen der starken Preissteigerungen für viele Menschen unleistbar geworden. Diese Nichtleistbarkeit mit Überschuldung zu kompensieren sei laut der OeNB aber eben der falsche Weg. Er berge mehrere Risiken: Haushalte könnten in die Überschuldung getrieben werden, womit sich für Banken Kreditausfälle ergeben. Seien die Haushalte zu stark verschuldet, würde zudem Kapital gebunden, das nicht in den Konsum fließen könnte, was wiederum die Wirtschaft in Summe schwäche. Während die Preise für Wohnimmobilien sich verdoppelt haben, sind die Einkommen im gleichen Zeitraum nur um ein Drittel gewachsen.

Betont haben die OeNB-Experten, dass die Kriterien in Österreich ohnehin nicht besonders scharf seien. Im EU-Vergleich führe Österreich in der Tabelle "Loan to Value": Damit wird die Kreditsumme zum Wert der Immobilie in Relation gesetzt. In Österreich wurden zuletzt eben ohne Eigenmittel hohe Kreditsummen vergeben. Zudem haben auch andere Länder in Europa bereits die Kreditvergabekriterien angepasst.

"Giftzahn"

Auch der Wohnbauforscher Wolfgang Amann geht im Gespräch mit dem STANDARD jedenfalls davon aus, dass der Verordnung dieser "Giftzahn" noch gezogen werden wird. Eine Möglichkeit dafür wäre nach Ansicht von Experten zum Beispiel, dass künftig auch Immobilienbesitz in die Rechnung der Banken miteinfließt – und nicht nur Eigenmittel.

Auf wenig Freude stoßen die Hürden bei Zwischenfinanzierungen auch in der Immobilienbranche. Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbands der Immobilientreuhänder in der WKÖ, betont, dass die Entscheidung, ob eine bestehende Wohnung werthaltig sei, im Ermessen der Bank liegen müsse. (Bettina Pfluger, Bernadette Redl, Franziska Zoidl, 24.11.2022)