Die Eingriffe der Pianistin im Inneren des Klaviers sind von irritierenden Projektionen begleitet.

Foto: Armin Bardel

In der letzten Woche von Wien Modern hat man die seltene Gelegenheit, die Gesamtaufführung von George Crumbs vierteiligem Klavierzyklus Makrokosmos zu erleben. Ort des Geschehens ist das Jugendstiltheater am Steinhof: Das Juwel von Otto Wagner stand jahrzehntelang leer und wird erst seit kurzem wieder benützt.

Zwischen 1972 und 1979 arbeitete George Crumb an dem Kompendium. Der Name ist eine Referenz auf den Klavierzyklus Mikrokosmos von Béla Bartók, einem von Crumbs Lieblingskomponisten. Die Teile I und II für Soloklavier stehen für die zwölf Tierkreiszeichen. Teil III für zwei verstärkte Klaviere und Schlagzeug heißt Celestial Mechanics und ist eine Hommage an die Dichter Rilke, Pascal und Quasimodo; Teil IV besteht aus einer Suite kosmischer vierhändiger Tänze, die nach Sternen benannt sind.

Musik als Kopfkino

Crumbs Art, mit dem Instrument umzugehen, war revolutionär: Er öffnete den Korpus, ließ den Interpreten die Saiten mit Papier und anderen Objekten präparieren, an ihnen zupfen oder schlagen, dazu singen und pfeifen. Das verstärkte Crumb elektronisch, um die unterschiedlichen Klangschichten hörbar zu machen.

Den Pianisten Alfredo Ovalles und Martyna Zakrzewska gelang eine so beeindruckende wie berührende Erforschung von Crumbs Klanglandschaften. Seine Musik ist Kopfkino pur: Sie entführt in Galaxien und Schwarze Löcher, ächzt und grollt, flüstert und schreit.

Weil das Erhören dieser magisch-mystischen Partituren scheinbar nicht für sich steht, hat das Sirene Operntheater den Zyklus um performative Elemente erweitert. Das sorgt für unfreiwillig komische Momente, wenn zwei Astronauten während des Spiels in Zeitlupe über die Bühne wackeln oder ein wehender schwarzer Vorhang Crumbs komplexe Musik illustrieren soll.

Wer-hat-mehr-Löffel-im-Mund-Performance

Es reicht auch nicht, einen Spiegel über dem Klavier schweben zu lassen. Die Eingriffe der Pianistin im Inneren des Instruments sind von irritierenden Projektionen begleitet. Spätestens bei der skurrilen Wer-hat-mehr-Löffel-im-Mund-Performance in Teil III ist Crumbs Musik endgültig entzaubert.

Wobei sich der Klang von zwei elektronisch verstärkten Bösendorfer Grand Pianos und zwei Multipercussionisten in dem winzigen Raum, wohin die Aufführung verlegt wurde, ohnehin nicht entfalten kann. Dafür ist es ohrenbetäubend laut. Crumbs epischem Werk hat Wien Modern keinen Gefallen getan. Man ist erleichtert, wenn der Performance-Spuk endlich vorbei ist. (Miriam Damev, 24.11.2022)