Das ausgebaute Dach eines Wohnhauses in der Ramperstorffergasse im fünften Bezirk in Wien soll durchaus gefährlich sein – zumindest für Rauchfangkehrer. "Meine Mitarbeiter kann ich hier nicht heraufschicken", sagte der zuständige Rauchfangkehrer Franz Schaller bei einem Lokalaugenschein mit dem STANDARD im Herbst. Er konnte im Vorjahr laut eigenen Aussagen über längere Zeit nicht aufs Dach, weil es keine Leiter gab. Oben am Dach würden – unter anderem – der Ausstieg aus der Dachluke, die nicht miteinander verschweißten Geländer und die fehlende Beschriftung auf den Rauchfängen nicht den Vorschriften entsprechen, erzählte er.
Außerdem endete die Lauftreppe – also der Gehweg des Rauchfangkehrers am Dach – ganz ohne Abschluss im Nichts. "Freiflug", urteilte Schaller. Und meinte das nicht als Witz: Die Arbeit auf einem solchen Dach ist für einen Rauchfangkehrer lebensgefährlich.
Trotzdem lag der Wiener Baupolizei eine Fertigstellungsanzeige für das Bauprojekt vor, für die auch ein Befund des zuständigen Rauchfangkehrers nötig ist – und ohne die die im Dach entstandenen und längst verkauften Wohnungen rechtlich betrachtet nicht benutzt werden dürften. Wie ist das möglich?
Anzeige eingebracht
In den vergangenen Wochen kam – nach einer Anfrage des STANDARD – ein ungeheuerlicher Verdacht auf: nämlich dass der Befund eines Rauchfangkehrers gefälscht worden sei. Von wem, ist nun Gegenstand von Ermittlungen. Die Baupolizei hat bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Urkundenfälschung gegen unbekannt eingebracht. Dort bestätigt man dem STANDARD auf Anfrage ein Einleiten von Ermittlungen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Der Wiener Rauchfangkehrer Gerd-Dieter Stern, dessen Name auf der mutmaßlichen Fälschung steht, hätte den Befund auch gar nicht ausstellen dürfen, weil es in Wien eine Gebietsaufteilung bei Rauchfangkehrern gibt. Er hat mittlerweile eine Kopie des Befunds gesehen. "Da hat der Hauptteil gefehlt, und am Schluss stand, dass alles in Ordnung ist", sagt Stern zum STANDARD. Er sei wohl durch Zufall "zum Handkuss" gekommen, vermutet er. Er ist seit Jahrzehnten auf den Wiener Dächern unterwegs, "aber so etwas ist mir noch nie untergekommen". Auch Stern hat nun Anzeige gegen unbekannt eingebracht.
Die Anzeige richte sich nicht gegen den Bauträger, betont man bei der Baupolizei. Man habe nämlich nicht ermitteln können, wer den Befund gefälscht habe beziehungsweise ob jemand dazu einen Auftrag gegeben hat. Der Grund ist in der österreichischen Bürokratie zu finden: Bei einer Fertigstellungsanzeige muss ein Ziviltechniker oder eine Ziviltechnikerin bestätigen, dass alle vorgelegten Unterlagen vollständig sind. Theoretisch, heißt es bei der Baupolizei, könne der Ziviltechniker also auch vorgeben, dass alles in Ordnung ist – obwohl die Urkunden gefälscht waren. Sämtliche Beteiligte würden daher von der Polizei befragt.
Der Bauherr des Projekts will von all dem nichts wissen. Es handelt sich um eine Projektgesellschaft, deren Geschäftsführer bis zum Herbst des Vorjahres Lukas Neugebauer war. Das Objekt im 5. Bezirk wird auf seiner Unternehmensseite unter "Referenzen" angeführt. Neugebauer weiß auf Anfrage des STANDARD nichts von der Anzeige der Baupolizei: "Der Rauchfangkehrerbefund wurde von der damals beauftragten Kaminsanierungsfirma zur Befundung ebendieser Arbeiten eingeholt." Für sein Unternehmen bestehe "damals wie heute kein Grund, diesen in irgendeiner Form anzuzweifeln".
Behebung der Mängel
Mängel gebe es am Dach zudem keine: "Über die ordnungsgemäß durchgeführten Arbeiten kann sich jeder, auch die MA 37, selbst ein Bild machen", heißt es im schriftlichen Statement. Bei der Baupolizei sieht man das anders: Die Bauwerberin sei nicht kooperativ, daher werde nun ein Bescheid erlassen, um die Mängelbehebung aufzutragen.
Darin wird auch eine Frist gesetzt, innerhalb derer die Arbeiten erledigt werden müssen. Sonst werden von der Baupolizei ein Strafverfahren wegen unzulässiger Benützung des Dachgeschoßes und ein Verfahren zur Ersatzvornahme eingeleitet. In einem solchen Fall würden die Arbeiten durch ein von der Behörde beauftragtes Unternehmen auf Kosten der Bauwerberin durchgeführt.
Neugebauer machte mit dem Kauf des Novomatic-Forums beim Naschmarkt um einen Nettopreis von 23 Millionen Euro 2021 Schlagzeilen. Vor wenigen Monaten verkaufte er das Gebäude dann aber, wie berichtet, wieder, und zwar an eine Gesellschaft im Eigentum der Unicredit Leasing um einen Nettopreis von 22,4 Millionen Euro.
Die Wohnungen im ausgebauten Dach in der Ramperstorffergasse im 5. Bezirk wurden längst zu hohen Preisen verkauft und bezogen. Nun soll "möglichst rasch" und im Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner der rechtskonforme Zustand hergestellt werden, heißt es bei der Baupolizei. Fortsetzung folgt. (Franziska Zoidl, 26.1.2023)