Ritsu Doan erzielte den Ausgleich.

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Japanische Freude.

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Japan feiert einen Traumstart in die WM.

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Al Rayyan – Rückblickend wäre es Deutschlands Kickern wohl lieber gewesen, wenn das bleibende Thema vom Auftaktmatch gegen Japan ihr Mannschaftsfoto geworden wäre. Die DFB-Startelf hielt sich dabei kollektiv den Mund zu, um gegen den Fußball-Weltverband Fifa zu protestieren. Dieser hatte ja mehreren europäischen Verbänden eine One-Love-Kapitänsbinde verboten. Die internationale TV-Regie zeigte die Geste nicht, aber das Gute am Mannschaftsfoto sind Fotografen, die aufs Abdrücken warten (mehr Infos zum Protest hier). 75 Minuten lang sah es auch danach aus, als wären ihre Fotos die G'schicht, ehe zwei späte Tore für einen 2:1-Sieg Japans und die nächste Sensation dieser WM sorgten.

Der Optimismus der deutschen Experten hatte sich schon im Vorfeld in Grenzen gehalten, seit dem Weltmeistertitel 2014 hatten Jogi Löws Mannschaften wenig Erbauliches geliefert. Für seinen Nachfolger Hansi Flick ist es das erste Großereignis, er sagte zur Causa Kapitänsbinde: "Wir sind hier, um Fußball zu spielen. Darauf ist die Mannschaft gut vorbereitet." Deutschland hatte das Hauptsorgerecht für den Ball, Japan suchte sein Glück im Konter. Zehnte Minute: Ilkay Gündogan verschenkt einen Ball im Mittelfeld, Japans Offensivabteilung rauscht in Überzahl schnörkellos gen Tor, Daizen Maeda steht bei der Vollendung im Abseits.

Deutsche Dominanz

Neuerdings teilt die Fifa die Ballbesitzstatistik in drei Teile, es gibt nun die Kategorie "umkämpft". Nach 20 Minuten stand die prozentuale Verteilung bei 76-10-14. Joshua Kimmich prüfte Shuichi Gonda mit einem wuchtigen Schuss, auf der anderen Seite zündelte Nico Schlotterbeck mit einem Ballverlust als vorletzter Mann, putzte bei Junya Itos Hereingabe aber selber aus.

Der nächste Anlauf gehörte wieder Deutschland. Gonda pratzelte eine wuchtige Flanke nach vorne weg, in Gündogans Schuss warf sich ein Verteidiger. In der 31. Minute war dem Goalie nicht mehr zu helfen: Erst rutschte er grenzwertig in David Raums Beine, beim Aufrappeln holperte er abermals über den Leipzig-Linksverteidiger. Doppelt patschert, einfacher Elfer. Gündogan dankte mit dem 1:0.

Japan kam immer wieder zu vielversprechenden Gegenstößen, die finalen Pässe waren aber ein Häufchen Elend. Die DFB-Elf spielte in Führung liegend abwartender. Jamal Musiala ließ mit einer Haken-Schuss-Kombination sein Talent aufblitzen. Drüber. Ein Havertz-Tor nach Stanglpass radierte der VAR aus. Maeda köpfelte quasi mit dem Pausenpfiff den ersten Versuch seines Teams vorbei.

Deutsche Stille

Die Khalifa-International-Arena war fast voll, nur im VIP- und im VVIP-Bereich für die besonders wichtigen Würdenträger gab es dutzende freie Plätze. Den Stimmbändern der DFB-Anhänger dürfte es im Fanquartier in Dubai besser gefallen, der 1. FC Pendelflieger war den Blue Samurai klar unterlegen.

Halbzeit zwei brachte aktivere, aber lange unkonkrete Japaner. Musiala entzückte mit einem Dribbling durch halb Honshu, jagte den Ball aber in den zweiten Rang. Minute 71, die Vierfachchance zur Entscheidung: Gnabry ist nach einem Lupfer alleine vor Gonda, legt zurück auf Jonas Hofmann, der kann den Schlussmann nicht bezwingen. Gleiches galt in den Folgesekunden für Gnabry, und zwar gleich dreimal. Gonda fing 2016 immerhin für den SV Horn. Neuer war da nur beim FC Bayern, doch auch er glänzte gegen Ito, Sakai rutschte der Nachschuss über den Rist (76.).

Deutsche Verzweiflung.
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Es musste also noch mehr Österreich-Bezug her. Minute 75: Takumi Minamino wird eingewechselt. Minute 76: Neuer kann den Schuss-Stanglpass des Ex-Salzburgers nur kurz abwehren, Ritsu Doan gleicht aus. Deutschland schien nun wach, aber Japan war wacher. Asano überlistete Schlotterbeck bei einem langen Ball, nahm sich diesen erstklassig mit und drosch das Kunstleder aus spitzem Winkel hoch ins kurze Eck (83.). "So ein einfaches Tor darf es bei einer WM nicht geben", sagte Gündogan später.

Jetzt hatte es Deutschland eilig. Aber: Japan. Mit heroischem Einsatz kämpften Nippons Söhne den Sieg über die Zeit, Leon Goretzka jagte die beste Ausgleichschance vorbei (95.). Thomas Müller war "ratlos", für Neuer war es "schwer zu verstehen, wie wir das Spiel aus der Hand geben können". Nun muss Deutschland am Sonntag gegen Spanien wohl schon gewinnen. (Martin Schauhuber aus Doha, 23.11.2022)

Technische Daten

Fußball-WM in Katar, Gruppe E (1. Runde):

Deutschland – Japan 1:2 (1:0)
Al Rayyan, Khalifa International Stadium, 42.608 Zuschauer, SR Ivan Barton (SLV)

Tore:
1:0 (33.) Gündogan (Foulelfmeter)
1:1 (75.) Doan
1:2 (83.) Asano

Deutschland: Neuer – Süle, Rüdiger, Schlotterbeck, Raum – Kimmich, Gündogan (67. Goretzka) – Gnabry (90. Moukoko), Müller (67. Hofmann), Musiala (79. Götze) – Havertz (79. Füllkrug)

Japan: Gonda – Sakai (75. Minamino), Itakura, Yoshida, Nagatomo (57. Mitoma) – Endo – J. Ito, Kamada, Tanaka (71. Doan), Kubo (46. Tomiyasu) – Maeda (57. Asano)

Gelbe Karten: keine