Die Aufregung um den Parlamentsflügel trat eine Diskussion über Wolfgang Sobotkas Kunstextravaganzen los.

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Hans-Peter Wipplinger, von Wolfgang Sobotka auserwählt.

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Installation von Konstantin Luser in der Plenar-Lounge.

Foto: Parlamentsdirektion/Thomas Topf

L’etat c’est moi! Ganz kann man sich diese Assoziation nicht verkneifen, die sich im Umfeld der Generalsanierung des Parlaments da und dort angesichts mancher Extravaganzen aufdrängt. Der Leitsatz des Absolutismus mag Ludwig XIV. ungerechtfertigt untergejubelt worden sein, die Klaviatur eines Sonnenkönigs weiß Wolfgang Sobotka (ÖVP) aus Sicht seiner Kritiker dagegen gekonnt zu spielen. Den Bösendorfer-Flügel samt 23-Karat-vergoldeten Lorbeerblattornamenten und handgesponnenen Basssaiten braucht er dazu nicht.

Wie berichtet sorgen einige der vom Parlamentspräsidenten realisierten Ideen für Irritation. Denn die Umsetzung erfolgte in einer Form, die teils eher autokratische als demokratische Züge trägt: in Gutsherrenmanier, die etwa auch bei der Ausstattung des Parlamentsgebäudes mit zeitgenössischer österreichischer Kunst, Anwendung fand.

"Wertekanon demokratischer Strukturen"

Dass sich die auserkorenen Werke "mit dem Wertekanon demokratischer Strukturen auseinandersetzen", wie es in der Parlamentskorrespondenz heißt, könnte durchaus als Treppenwitz missverstanden werden. Im Gesamtkonzept zur Sanierung aus dem Jahr 2011 finden sich keinerlei Hinweise auf Pläne, die sich auf den Ausbau eines Kunstprogramms beziehen. Die Idee dazu entwickelte der Nationalratspräsident erst kurzfristig Ende 2020.

Schrift-Installation von Heimo Zobernig.
Foto: Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Eine Ausschreibung gab es dafür nicht. Weil dazu keine gesetzliche Verpflichtung bestand, argumentiert die Parlamentsdirektion auf Anfrage. Bei öffentlichen Bauvorhaben sei ein bestimmter Prozentsatz für Kunst vorgesehen, ein oder zwei Prozent von den Gesamtkosten entsprechen den internationalen Usancen. Da liege man mit den vorerst veranschlagten 1,8 Millionen Euro bei einem Sanierungsvolumen von fast 423 Millionen Euro ja ohnedies deutlich darunter.

Bekannt und geschätzt

Die Auswahl der Kunstwerke überließ man einem Kurator – eine Funktion, die nicht ausgeschrieben wurde. Wolfgang Sobotka bestellte dafür Hans-Peter Wipplinger, seit Mitte 2015 Direktor des Leopold-Museums. Die beiden kennen und schätzen einander, wie Personen aus deren Umfeld erzählen. Als Wipplinger 2009 die Leitung der Kunsthalle Krems übernahm, startete Sobotka gerade als Landeshauptmann-Stellvertreter Niederösterreichs durch und war in der Landesregierung für Finanzen zuständig. Später verschlug es Sobotka beruflich nach Wien, zuerst als Innenminister und Ende 2017 in den Nationalrat, dem er seither als Präsident vorsteht.

Wipplinger kennt das Innere des Parlamentsgebäudes bereits. 2014 und 2015 hat er dort zwischendurch Ausstellungen kuratiert. Für den neuen Nebenjob hat er sich vorab selbstverständlich den Segen des Stiftungsvorstandes der Leopold-Museum-Privatstiftung geholt, wie er betont. Das macht sich bezahlt: Das Honorar beträgt 40.000 Euro jährlich, also 80.000 Euro für die Jahre 2021 und 2022.

Als Projektmanagerin fungiert Wipplingers Lebensgefährtin, die Kunsthistorikerin Susanne Längle, die ihm schon in seiner Ära an der Kunsthalle Krems zuarbeitete. Wipplinger sieht darin kein Problem, zumal er sich "hundertprozentig" auf sie verlassen könne und man ja vorwiegend an den Wochenenden gemeinsam daran arbeite.

Eva Schlegels Spiegelinstallation für die Prachtstiege des Parlaments.
Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Als Subvertragsnehmerin trat Längle beim Projekt "Kunst im Parlament" nicht in Erscheinung, wie aus Reihen der Kultursprecher der Parlamentsfraktionen in Erfahrung zu bringen war. Die Termine, bei denen Wipplinger das Programm präsentierte, dienten bloß der Information. Ein Mitspracherecht gab es nicht, wie die Parlamentsdirektion bestätigt, selbst wenn ein Konsens das angepeilte Ziel war.

13-Meter-Skulpturen

Das funktionierte nicht immer, vor allem dort nicht, wo die für Architektur und Stadtgestaltung zuständige Magistratsabteilung in Entscheidungen eingebunden werden muss. Genauer vor dem Parlament, wo zwei 13-Meter-Skulpturen aufgestellt werden sollten: Joannis Avramidis Humanitätssäule und eine Neukreation von Erwin Wurm, eine Hand, an deren Finger Stifte balancieren. Die MA 19 genehmigte das nicht: weder vor dem Parlament noch an der Rückseite.

Die Kosten für die Wurm-Skulptur wären bei rund 300.000 Euro gelegen, also fast geschenkt, sagt Wipplinger: Auf die Produktion wären etwa 220.000 Euro entfallen, der Rest auf das Honorar des Künstlers. Eine kleinere Variante ist nun für einen der Innenräume des Parlaments angedacht. Eher nicht für den Empfangssalon, wo ja eingangs erwähnter Bösendorfer um Aufmerksamkeit buhlt.

Ein hauseigener Pianist sei nicht vorgesehen, versichert die Parlamentsdirektion. Die Kosten für das "Collector’s Item" bleiben mit 36.000 Euro jährlich sehr wohl ein Thema. Finanzierungsmodell Mietkauf übrigens. Bei einem Ankauf in geschätzter Höhe von 190.000 Euro hätte ja, anders als bei Kunstwerken, eine Ausschreibung erfolgen müssen. (Olga Kronsteiner, 24.11.2022)