Mira (Alina Schaller) in Action – mit dabei waren Spielerinnen des Eishockeynationalteams.

Foto: Johannes Hoss / Geyrhalterfilm

Paul (Tobias Resch) verführt seine Schwester Mira zum Genderbending, Kollegin Theresa (Judith Altenberger) gefällt’s.

Foto: Johannes Hoss / Geyrhalterfilm

Das Eis – Projektionsfläche für so manche Gefühlszustände. Vor allem für die kühleren. Wenn das Eis gebrochen wird, so wie in Clara Sterns Debütfilm Breaking the Ice, dann geht es meist um das Ende langer Schweigephasen und den Moment, in dem man beginnt, seinen Nächsten wieder die eigenen Gefühle mitzuteilen.

Sterns Film handelt von einer Familie, die in Einzelteile aufgesprengt ist: Der Großvater, gespielt von Trautmann-Darsteller Wolfgang Böck, verliert sich in dementen Erinnerungslücken. Die Mutter (Pia Hierzegger) schupft den familiären Weinbaubetrieb mit wortkarger Strenge, und Tochter Mira (Alina Schaller, die Alma aus Vorstadtweiber), um die es hier geht, pendelt vom burgenländischen Dorf dreimal wöchentlich zum Eishockeytraining. Dort ist sie Kapitänin und führt in ihrem Verein ein strenges Zepter.

Eisige Stimmung unter Einzelkämpferinnen

Eisige Stimmung ist auch in der Eishockeyhalle, aber nicht während des Spiels. Dann nämlich fliegt die Kamera mit den professionellen Spielerinnen des Damennationalteams über die kühle Fläche und bringt Bewegung in Miras Leben. Allerdings gibt es im Team Probleme, die sichtbar werden, als eine junge Salzburgerin einsteigt, um aufzusteigen und die unbeachtete Frauenliga in Österreich hinter sich zu lassen. Theresa (Judith Altenberger, die kleine Schwester von Buhlschaft Verena Altenberger) erkennt schnell: Das Team ist keines – jede kämpft für sich allein.

Die Konkurrenz zwischen Theresa und Mira ist ebenso greifbar wie das Interesse, das sie aneinander haben. Zum Kennenlernen kommt es aber nicht auf der Eisfläche, sondern im Wiener Nachtleben. Dort hinein lockt sie Miras Bruder, der nach einer Jahre zurückliegenden Familientragödie wie aus dem Nichts wieder auftaucht.

Geyrhalterfilm

Der Bruder, der Puck

Wie ein Puck spukt Paul (Tobias Resch) in Miras Leben herum, bringt sie in Kontakt mit ihren verdrängten Familienproblemen und queeren Bars, wo sich alle drei lustvoll ausprobieren können. In Drag mit aufgemaltem Bart beginnt Mira schließlich auch ihre geschlechtliche Identität zu befragen.

Ganz frei fühlt sich das aber nicht an, unerklärliche Verhaltensweisen und Irritationen durchbrechen den Flow des Dreiergespanns. Vor allem die Geschwister haben einige Umgangsschwierigkeiten: Wo Mira aggressiv abblockt, verfängt sich Paul in kindischen Rollenspielen.

Coming-of-Age mit Stolpersteinen

Clara Stern, die bereits mit ihren Kurzfilmen Erfolge feierte, hat mit Breaking the Ice eine queere Coming-of-Age-Geschichte und ein sehenswertes Langfilmdebüt geschaffen. Der Regisseurin und Drehbuchautorin ist es sichtlich eine Herzensangelegenheit, ihre Figuren Schicht für Schicht freizulegen. Doch das Eis vermag nicht ganz zu brechen: Die Dialoge holpern häufig hölzern, worunter der Zugang zu den Figuren leidet. Die Drehorte wirken zu gesucht, vor allem das burgenländische Familienhaus strotzt vor altbekanntem österreichischem Mief. Der eigens komponierte Pop-Soundtrack, zu dem die Regisseurin die Texte beisteuerte, ist etwas kommentierend und stellenweise gefährlich glatt geraten. Und ab und zu wiegen die Metaphern so schwer wie Miras panzerartige Eishockeyuniform.

Im Spiel gelingt’s

Der Film glänzt in den bewegten Momenten: auf dem Eis, beim Autofahren durch die Windradlandschaften Ostösterreichs, während der Liebesszenen zwischen Mira und Theresa. Der Umgang mit Queerness und Geschlechterrollen bliebt spielerisch, ohne sich festlegen zu wollen. Und die Besetzung ist eine feine Mischung aus Newcomern und bekannten Gesichtern, aus Laien und Profis, was meist, aber nicht immer funktioniert.

Auf internationalen Filmfestivals kam die queere Eishockey-Familien-Geschichte gut an, und der österreichische Filmstart wird dieser Tage mit Filmteam und Wein gefeiert – Mira kommt schließlich aus einer Weinbaufamilie. (Valerie Dirk, 24.11.2022)