Am Mittwochvormittag streikte medizinisches Personal in den Wiener Ordensspitälern. Gefordert werden mehr Geld und faire Arbeitsbedingungen. Der Notfallbetrieb sei zu jeder Zeit gewährleistet gewesen.

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Die Wiener Spitäler kommen seit Monaten nicht aus den Schlagzeilen. So gab es vermehrt Meldungen über einen eklatanten Personalmangel: In mehreren Gefährdungsanzeigen von Ärztinnen und Ärzten wurde auf organisatorische Mängel hingewiesen. Betroffen waren etwa die Notaufnahme sowie der Pflegebereich in der Klinik Floridsdorf oder auch die Urologie in der Klinik Favoriten. Bei der Urologie am Allgemeinen Krankenhaus gab es zahlreiche Bettensperren und lange OP-Wartezeiten. Und das ist nur ein Auszug.

Die Wiener Ärztekammer übt heftige Kritik am zuständigen Stadtrat Peter Hacker (SPÖ), dieser wiederum moniert, dass die Kammer "seit Wochen eine millionenschwere Kampagne gegen die Spitäler" fahre. Aber worum geht es im Streit rund um das Gesundheitswesen genau?

Erste Warnstreiks

Fest steht, dass die Probleme nicht nur auf die städtischen Spitäler des Gesundheitsverbunds (Wigev) beschränkt sind. Es rumort auch andernorts: Am Mittwoch gab es in sechs Ordensspitälern einen Warnstreik. Es geht hier vor allem um Geld: Gewerkschaft und Ärztekammer fordern für die rund 10.000 Mitarbeitenden 500 Euro brutto pro Monat zusätzlich. Die Spitäler bieten bei den Sonderkollektivvertragsverhandlungen unter anderem eine sozial gestaffelte Einmalzahlung von bis zu 1000 Euro. Das betrifft jene, die weniger als 3300 Euro brutto verdienen. Die Spitäler rechnen vor, dass es für die Mehrheit des Personals Einmalzahlungen von 400 bis 700 Euro gebe. Vonseiten der Gewerkschaft heißt es hingegen, dass eine Krankenpflegerin im zehnten Dienstjahr nur eine Einmalzahlung von 53 Euro erhalte.

Qualitätsverluste

Im Streit mit der Stadt verschärfte die Kammer die Gangart und veröffentlichte am Dienstag erste Ergebnisse einer Umfrage unter angestellten Ärztinnen und Ärzten mit knapp 1900 Teilnehmenden. Demnach bemängelt eine große Mehrheit einen Qualitätsverlust in der medizinischen Betreuung sowie große Engpässe in der Patientenversorgung. Die Ärztekammer kündigte in weiterer Folge "Aktionswochen" an. Das Ziel: in den kommenden zwei Wochen alle Wiener Spitäler zu besuchen und Mitarbeitende zu ermutigen, weiter Missstände zu melden.

Personalmangel

Die Stadt Wien räumt Probleme in diversen Spitalsbereichen ein. So seien "Personalengpässe evident", wie es aus dem Büro von Hacker zum STANDARD heißt. 91 Ärztestellen seien aktuell im Wigev ausgeschrieben, einige davon für Akutpflegehäuser. Das seien rund drei Prozent der Ärztestellen im Spitalsverbund. Bei den Besetzungen hapere es aber. "Wenn sich qualifiziertes Personal im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Anästhesie bewirbt, würden die Stellen sofort besetzt", sagt ein Sprecher Hackers dem STANDARD. Ärztekammer-Vizepräsident Stefan Ferenci kontert hingegen, dass die Spitalsgehälter etwa für Kinderärzte in Wien "nicht kompetitiv" seien. Sprich: Wien zahle zu wenig.

Hacker fordert mehr Geld im System

Hacker sieht den Bund und die Sozialversicherungen in der Pflicht. Es gebe generell einen Geldmangel im Spitalssystem. Das müsse bei den anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen geklärt werden. Ein Sprecher des Stadtrats verweist auch auf einen "Systemfehler": So würden zu viele Patientinnen und Patienten die Spitäler ansteuern – für Behandlungen, die auch im niedergelassenen Bereich erledigt werden könnten. Eine Schieflage wird etwa im Bereich Kinder- und Jugendärzte geortet: Hier gibt es 76 Ärztinnen und Ärzte mit Kassenvertrag – und gleich 171 niedergelassene Wahlärzte. In den Wigev-Spitälern gibt es 100 Ärztinnen und Ärzte.

Abwerbemarathon

Und was sagt der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch dazu? Dessen Büro betont, dass man im Gesundheitswesen allgemein eine "besonders angespannte Personalsituation" erlebe. Auch das gegenseitige Abwerben von Personal durch den Fachkräftemangel führe zu schwierigen Situationen: "Die Spitäler werben beispielsweise das Pflegepersonal von Alten- und Pflegeheimen ab und umgekehrt, und die Bundesländer auch teilweise untereinander." Laut Ministerium müssten die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Ein Schritt sei dahingehend mit der Pflegereform gesetzt worden, die neben mehr Gehalt etwa eine zusätzliche Entlastungswoche ab 43 Jahren bringe. Erneut wird auch der Ausbau der Primärversorgung angeführt, um die Spitäler zu entlasten. (David Krutzler, Jan Michael Marchart, 23.11.2022)