Im Gastblog zeigt Kurt Tutschek eine Variante des Polo-Spielens, die sich nur kurz gehalten hat. 

Polo ist eine der ältesten Sportarten der Welt. Erste Anfänge des Mannschaftssports reichen bis ins 6. Jahrhundert vor Christus zurück. Vereinfacht gesagt ist es Ziel des Spiels, einen Ball mit einem langen Holzschläger in das gegnerische Tor zu schlagen. Als kleine Hürde kommt hinzu, dass die Spieler dabei auf Pferden reiten. Bei allen Aktionen auf dem Spielfeld steht immer die Gesundheit der Pferde im Vordergrund. Die Beliebtheit des Sports steht außer Frage, denn bereits fünf Mal zählte Polo zum Wettkampfkanon der olympischen Spiele. 

So weit, so gut. Doch dann kam das Auto. Als um 1900 die Motorisierung stetig und unaufhörlich voranschritt, wurden bereits erste Veranstaltungen kreiert, die das Auto in den Mittelpunkt stellten. Erste Wettrennen fanden bereits in den 1890ern statt. Es war daher wohl nur eine Frage der Zeit, dass kreative Geister spektakulärere Konzepte entwickelten, die dem werten Publikum noch spannendere Wettkämpfe liefern sollten.

Damit schlug die Geburtsstunde eines Sports, der von etwa 1910 bis hinein in die 1920er so manchem Zuschauer leichtes Gruseln verursacht haben dürfte: Auto Polo.

Auto Polo auf Coney Island
Foto: gemeinfrei

Auto Polo wurde in den Vereinigten Staaten erfunden, mit Regeln und auch Ausrüstung, die weitestgehend dem Polospiel zu Pferde entsprachen. Statt der bewährten Pferde kamen allerdings Autos zum Einsatz. Anfänglich gab es alle möglichen Fahrzeuge mit Dampf- oder Benzinantrieb, aber es dauerte nicht lange, bis die Teams begannen, ihre Fahrzeuge, die Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h erreichten, zu modifizieren, um ihre Chancen im Wettkampf zu erhöhen. Zu den üblichen Upgrades gehörten abgeschnittene Verdecke, verstärkte Kühler und ausgeschnittene Türen.

Der Sport war ein Highlight auf Messen, Ausstellungen und Sportplätzen sowohl in den USA als auch in Europa und für das Publikum ein Nervenkitzel, denn das Risiko für Verletzungen oder gar Tod der Sportler war nicht von der Hand zu weisen, da die Männer in der Hitze des Gefechts häufig aus ihren fahrenden Untersätzen geschleudert wurden.

Ein Sport für Todesmutige
Foto: gemeinfrei
Coney Island, New York
Foto: gemeinfrei
Coney Island, New York
Foto: gemeinfrei
Coney Island, New York
Foto: gemeinfrei

Schon in den ersten Jahren war der brutale Sport ein voller Erfolg: Bis zu 5.000 Menschen kamen, um ein Spektakel zu sehen. So manche erhofften wohl auch ein Blutbad, wie einem Artikel der Miami News zu entnehmen ist. Der Sport muss durchaus die Anmutung antiker Wagenrennen ausgestrahlt haben, denn in einem Artikel der Zeitung 'The Southeast Missourian' aus dem Jahr 1922 heißt es: "Spielen, um zu gewinnen, ohne Rücksicht auf die Verletzung des anderen, das ist das Motto des Autopolos." Und ergänzt wird der Bericht durch folgenden dezenten Hinweis: "Da sehr häufig ein Arzt benötigt wird, gehören zu jeder Mannschaft ein Arzt und eine Krankenschwester, die beide des öfteren gebraucht werden, wenn sich ein Spieler schwer verletzt hat."

Coney Island, New York
Foto: gemeinfrei
Saskatchewan, 1919
Foto: gemeinfrei
Saskatchewan, 1919
Foto: gemeinfrei
Saskatchewan, 1919
Foto: gemeinfrei

In späteren Jahren wurden Überrollkäfige über dem Kühler und den hinteren Plattformen der Autos installiert. Dies trug dazu bei, grobe Verletzungen der Spieler zu vermeiden, aber die unvermeidbaren Stürze führten immer wieder zu schweren Schnittverletzungen und Knochenbrüchen, wenn Spieler von den Autos überrollt wurden. 

Volle Ränge
Foto: gemeinfrei
Das Publikum ist entzückt.
Foto: gemeinfrei
Unfall (Detail). Die Szene sieht inszeniert aus.
Foto: gemeinfrei

In den späten 1920er-Jahren verlor der Sport angesichts der sich abzeichnenden Weltwirtschaftskrise schließlich an Popularität, vor allem wegen der immensen Kosten für den Ersatz der zu Schrott gefahrenen Automobile. Niemand konnte und wollte sich leisten, die kaputten Räder, Achsen und Motorblöcke zu ersetzen, die die Teams in einer einzigen Saison verbraucht hatten. Das Ende von Auto Polo als spektakuläre Mannschafts-Sportart war damit eingeläutet. (Kurt Tutschek, 26.11.2022)

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