Bei den KI-Tagen in Hamburg werden jährlich Innovationen im Bereich Robotik gezeigt, von denen allerdings nur wenige in der Praxis Fuß fassen können.

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"Sie spielen Videospiele und sind häufig zugedröhnt", ließ der US-Ökonom Nicholas Eberstadt kürzlich in einem Interview mit dem STANDARD wissen. So will er erklären, warum derzeit ein beispielloser Arbeitskräftemangel in den USA herrscht. Betroffen von dem Mangel sind allerdings vor allem Branchen, in denen auch in Österreich Stellenausschreibungen nicht gerade Mangelware sind, etwa in der Gastronomie. Nun sollen Roboter diese Jobs übernehmen, die kein Mensch mehr machen will. Ein Trend, der in den USA und Kanada bereits losgetreten wurde – in Österreich aber wohl noch ein paar Jahre dauern wird.

Will keiner mehr machen

Rund 20.000 Euro kostet eine vollautomatische Kaffeemaschine aus der Schweiz, wie sie in immer mehr Restaurants und Kaffeehäusern zu finden ist. Das ist zwar bei den initialen Kosten doppelt so hoch wie eine von Hand zu bedienende Cimbali-Siebträgermaschine, aber es braucht keine Fachkraft mehr dafür und spart zudem Zeit. Gerade die Gastronomie kämpft aus diversen Gründen immer mehr mit einem Arbeitskräftemangel und muss sich nun verstärkt mit automatisierten Prozessen auseinandersetzen, um den Betrieb aufrechterhalten zu können.

In der "Financial Post" erzählt etwa der Kaffeehausbesitzer Amir Rahim von diesem gerade stattfindenden Wechsel. Der Kaffee aus der vollautomatischen Maschine sei mindestens genauso gut, und das mit einem einfachen Knopfdruck, sagt er. Aber auch die Suche nach Kellnerinnen und Kellnern könnte bald der Vergangenheit angehören. Auf einer Messe der Restaurantbranche in Toronto traf er nicht nur auf Roboter, die Broschüren selbstständig unter den Besuchern verteilten, sondern auch eine an Umkleidekabinen erinnernde Einrichtung, aus der man selbstständig frisch gemachtes Essen entnehmen konnte.

Im zweiten Quartal gab es in Kanada über eine Million offene Stellen, und das bei einer geringen Arbeitslosenquote von rund fünf Prozent.
Foto: Statistics Canada
In Österreich waren im Oktober rund 250.000 Menschen arbeitslos, das entspricht einer Arbeitslosenquote von rund sechs Prozent.
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Der Arbeitsmarkt in Rahims Heimatland und der in Österreich sind bei den Arbeitslosenzahlen aktuell in etwa gleich. Rund 5,2 Prozent Arbeitslose gibt es derzeit in Kanada, hierzulande waren es im Oktober rund sechs Prozent. Manche Ökonomen nennen das Vollbeschäftigung, da diese Zahlen suggerieren, dass jeder, der arbeiten will, auch Arbeit findet. Damit bleiben die rund eine Million offenen Stellen weiter unbesetzt, wie Statistics Canada in einer aktuellen Erhebung feststellt. "Wir reden hier von einem Nachfrageüberschuss, wo der Bedarf der Wirtschaft an Arbeitskräften ihre Fähigkeit übersteigt, diese bereitzustellen", analysierte der Leiter der Bank of Canada, Tiff Macklem, die Situation vor ein paar Wochen.

Die Hotellerie, Essenslieferanten und eben die Gastronomie sind davon am stärksten betroffen, auch weil man in zwei Jahren Pandemie laufend Stellen abbauen musste beziehungsweise im Fall der Essenslieferanten nicht schnell genug Leute anstellen konnte. "Viele Menschen reden die Automatisierung schlecht, weil sie Angst haben, es würde Jobs kosten", erklärt Kaffeehausbesitzer Rahim seinen Blickwinkel. Die Realität zeige aber, dass diese Jobs einfach keiner mehr machen will.

Automatisierung kommt

Viele Länder investieren seit Jahren in die Automatisierung von Jobs, für die es zu wenige oder keine Arbeitskräfte mehr gibt. Der Pflegesektor ist eines der Sorgenkinder vieler Staaten, aber auch hier wird nachgerüstet. In Japan setzt man bereits Pflegeroboter ein. Der Unterhaltungsroboter Parlo etwa kann 365 Programme abspielen, etwa Rhythmusspiele oder das Verfassen von Rätseln. In der Chirurgie helfen bereits seit rund zehn Jahren verstärkt Medizinroboter bei Operationen.

Die Automatisierung kann hier allerdings nur unterstützen und nur selten einen Berufsstand ersetzen – noch nicht. Aber gerade im medizinischen Bereich herrscht nach der Corona-Pandemie weltweit der oftmals als "Pflegekollaps" bezeichnete Zustand. Schlechte Bezahlung, Überforderung und extrem hohe psychische Belastung haben hier zu zahlreichen Personalnotständen geführt, die eigentlich nur noch mit Unterstützung von Robotern gelöst werden können.

In der Immanuel-Klinik Rüdersdorf bei Berlin werden schon Transportroboter eingesetzt, die bis zu 500 Kilogramm schleppen können. Sie bringen Essen, Sterilgut oder Wäsche zu den jeweiligen Stationen und legen dabei täglich bis zu 28 Kilometer zurück. Entwickelt wurde der Krankenhausroboter Transcar LTC 2 von der Schweizer Firma Swisslog. Er ist in der Lage, Hindernisse zu erkennen, kurze Sätze wie "Bitte gehen Sie zur Seite" zu sagen und Aufzug zu fahren.

Die Gastronomie sucht verzweifelt Arbeitskräfte und muss sich wohl für bestimmte Tätigkeiten künftig nach automatisierten Alternativen umsehen.
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Trifft auch Österreich

Im Mai präsentierte die WKO erschütternde Zahlen zu diesem Thema. 73 Prozent der Unternehmen in Österreich waren laut der Erhebung stark von einem Arbeitskräftemangel betroffen. Betroffen seien zahlreiche Branchen, darunter etwa der Tourismus, Transport und Verkehr sowie Gewerbe und Handwerk, hieß es. Die Unternehmen äußerten sich damals skeptisch, dass diese Situation in den nächsten drei Jahren besser werden würde – 82,7 Prozent gingen sogar von einer Verschlechterung aus.

Es fehlten rund 272.000 Arbeitskräfte, stellte die Studie fest. Das seien etwa 100.000 mehr als noch 2020. Als Ursachen wurden "zu wenige geeignete Bewerber:innen" genannt oder auch "Defizite in der Pflichtschulausbildung". Als Lösungen wurden etwa "mehr Beschäftigungsanreize für Arbeitslose" angeführt oder die "Vereinfachung der Beschäftigung von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten". Von einer gewünschten Automatisierung bestimmter Jobprofile war damals nichts in der Studie zu lesen.

Mehr Qualität

Rahim wird im Dezember sein umgebautes Restaurant eröffnen. Dort werden Kunden künftig Essen via Smartphone bestellen und bezahlen. Die Köche stellen das fertige Essen in Boxen, der betroffene Gast bekommt eine kurze Nachricht auf sein Smartphone und holt seinen Teller selbst ab. Rahim glaubt nicht daran, dass es künftig mehr Leute geben wird, die für 15 Dollar in der Stunde um 5.30 Uhr aufgeweckt werden wollen, um ab 6.30 Uhr schlecht gelaunte Kunden mit Kaffee zu versorgen. "Diese Menschen wird man nicht mehr finden."

Mit den gesunkenen laufenden Kosten durch die Automatisierung will Rahim aber gezielt gutbezahltes Personal im Geschäft haben, das auf das Wohlbefinden der Gäste achtet. Das müsste sich dann laut Rahim ausgehen, und man könne als Gastronom trotzdem profitabel arbeiten. (aam, 24.11.2022)