Traf bereits mehrere umstrittene Personalentscheidungen: ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer.

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Diese Personalentscheidung sorgt auch einen Tag später inner- und außerhalb der ÖVP für Gesprächsstoff: Gerald Fleischmann, einst einer der allerengsten Vertrauten von Ex-Kanzler und -Parteichef Sebastian Kurz, wurde von dessen Nachfolger Karl Nehammer zum neuen Kommunikationschef der Volkspartei bestellt. Diese Position hat Fleischmann schon 2007 innegehabt, zuvor war er bei der niederösterreichischen Volkspartei aktiv gewesen. Die Entscheidung soll dem Vernehmen nach im kleinen Kreis gefallen sein. Und sie ist nicht die einzige von Nehammer in seiner Amtszeit getroffene Personalentscheidung, die kritisch beäugt wird beziehungsweise umstritten ist – parteiintern oder beim grünen Koalitionspartner.

Es ist noch kein Jahr her, da zeigte sich der damals frisch zum Parteichef gekürte Nehammer im Dezember 2021 davon "überzeugt, dass Laura Sachslehner alle bevorstehenden Aufgaben im besten Interesse der Volkspartei und ihrer Teilorganisationen sowie Mitglieder hervorragend bewältigen wird". Sachslehner wurde damals zur Generalsekretärin bestellt und galt als Überraschung, den Posten hatte diese nach dem türkisen Exodus im Zuge der Inseratenaffäre erhalten, als Axel Melchior diese Funktion zurückgelegt hatte. Ihre Bestellung wurde damals als Signal interpretiert, dass Türkise weiterhin einen Platz in der ÖVP haben – so könnte man nun auch die Bestellung Fleischmanns interpretieren.

Nicht einmal ein Jahr später ist Sachslehner zum Symbol für den innerparteilichen Widerstand gegen Nehammer geworden. Die Parteispitze verrate die Werte der ÖVP, verbiege sich und biedere sich an den Koalitionspartner an, klagte Sachslehner öffentlichkeitswirksam bei ihrem Rücktritt im September diesen Jahres. In den Ländern, allen voran in der mächtigen ÖVP-Zentrale in St. Pölten, hielt man Sachslehner stets für eine Fehlbesetzung.

Nehammer ersetzte Sachslehner durch Christian Stocker, ein schwarzes Urgestein aus Nehammers politischer Heimat Niederösterreich. Dem Vernehmen nach ist Stockers Draht zu diesem ein sehr guter. Entsprechend nannte ihn Nehammer auch seinen "Wunschkandidaten", der die Partei und ihre Strukturen "in- und auswendig" kenne und in den Landes- und Teilorganisationen "bestens vernetzt" sei.

Der 62-Jährige ist Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Wiener Neustadt und ebendort auch seit mehr als zwei Jahrzehnten Vizebürgermeister. Die bundespolitische Bühne betrat er schließlich im Jahr 2019, seither ist er Nationalratsabgeordneter. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Stocker im laufenden ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss aufgefallen. Dort verteidigte er seine Partei entschlossen gegen die versammelte Opposition und die Grünen.

Wechsel im Kanzleramt

Im November kam es außerdem im Bundeskanzleramt zu einem Wechsel des Generalsekretärs. Kurz-Vertrauter Bernd Brünner legte diese Funktion mit 31. Oktober aus persönlichen Gründen zurück. Im Gegensatz zu anderen Ressorts wurde diese Position im Kanzleramt aber nachbesetzt – und zwar mit dem bisherigen Sektionsleiter-Stellvertreter Andreas Grad.

Damit erhält der schon länger schwelende Konflikt zwischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und Kanzleramt rund um die Sicherstellung von Daten neue Brisanz. Die WKStA will bekanntlich E-Mail-Postfächer zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kanzleramts auswerten, um die Kommunikation mit Beschuldigten in der Inseraten- und Umfragenaffäre wiederherzustellen. Grad fungiert nun auch als erste Adresse für die WKStA, die diesen allerdings für keinen verlässlichen Ansprechpartner hält.

Der Wechsel im Generalsekretariat bedeutete den zweiten größeren Personalwechsel innerhalb eines Monats: Mit 18. Oktober übernahm dort Andreas Achatz, ein enger Vertrauter Nehammers und Urgestein des Innenministeriums, die Funktion des Kabinettschefs von Markus Gstöttner. Der ehemalige Unternehmensberater war einer der letzten noch politisch aktiven Vertrauten von Kurz und verließ laut Angaben die Bundespolitik auf eigenen Wunsch in Richtung Privatwirtschaft. Er sitzt allerdings weiterhin als Abgeordneter im Wiener Landtag.

Doch zurück zu Achatz: Dieser trat vor 45 Jahren in den Polizeidienst ein, wo er in den 2000er-Jahren das Sportreferat aufbaute. Später wurde er Kabinettsmitarbeiter von Johanna Mikl-Leitner, dann Kabinettschef bei Wolfgang Sobotka. In dieser Funktion war er auch während Nehammers Amtszeit im Innenministerium aktiv, ebenso bei dessen Nachfolger Gerhard Karner.

Apropos Innenministerium: Michael Takacs bekleidet dort seit Juli die Funktion des Bundespolizeidirektors und zählt zu den besten Freunden des Kanzlers. Die beiden arbeiteten bereits im Innenministerium, als Nehammer dort Ressortchef war, eng zusammen. Im März diesen Jahres holte ihn Nehammer schließlich als Flüchtlingskoordinator ins Kanzleramt, was er bis Juli blieb. Auch die Rolle von Takacs ist umstritten. Er geriet unter anderem wegen Plagiatsvorwürfen in die Schlagzeilen. (Sandra Schieder, 24.11.2022)