"Der Spiegel" prüft Reportagen zu einer Flüchtlingsgruppe am Evos, "es gibt Zweifel an der bisherigen Schilderung", schreibt das Magazin.

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"Todesfalle EU-Grenze": Unter diesem Titel veröffentlichte der "Spiegel" im Sommer 2022 eine Reportage über das Schicksal einer Flüchtlingsgruppe am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros und dem Mädchen Maria, das auf einer Insel zwischen der Türkei und Griechenland gestorben sein soll. Der Beitrag ist online nicht mehr abrufbar, der "Spiegel will nach Zweifeln an den bisherigen Schilderungen Beiträge prüfen.

"Mittlerweile gibt es Zweifel an der bisherigen Schilderung der damaligen Geschehnisse. Wir haben daher mehrere Beiträge zu diesem Thema vorläufig von unserer Website entfernt. Wir überprüfen unsere Berichterstattung und entscheiden nach Abschluss der Recherchen, ob die Beiträge gegebenenfalls in korrigierter und aktualisierter Form erneut veröffentlicht werden", heißt es auf Spiegel.de dazu. Laut "Medieninsider" habe der "Spiegel" vier Artikel zum Thema offline gestellt. "Wir hoffen, die Ergebnisse im Laufe des Dezembers veröffentlichen zu können, sagt eine Sprecherin des "Spiegel" zum STANDARD.

Verdacht, dass Flüchtlinge den Tod des Mädchens erfunden haben könnten

"Neben dem 'Spiegel' haben weitere, internationale Medien über diese Vorgänge berichtet. Mittlerweile gibt es Zweifel an der bisherigen Schilderung der damaligen Geschehnisse. Es geht vor allem um den Verdacht, dass die Flüchtlinge in ihrer Not den Tod eines Mädchens erfunden haben könnten. Einige ursprüngliche Berichte hatten die Schilderungen der Flüchtlinge, die bis heute am Tod des Mädchens festhalten, als Tatsache übernommen", so der "Spiegel" auf STANDARD-Anfrage.

Im August hat sich "Spiegel"-Reporter Giorgos Christides via Twitter zu seinen Recherchen geäußert:

Der griechische Migrationsminister Notis MitarachiI habe sich im September laut "Medieninsider" an die "Spiegel"-Chefredaktion gewandt, Zweifel am Wahrheitsgehalt der Reportage mitgeteilt und dem "Spiegel"-Reporter auch vorgeworfen, Angaben von Nichtregierungsorganisationen ungefiltert übernommen zu haben.

"Hinweise gab es unter anderem durch öffentlich geführte Debatten zu den Vorgängen in den Sozialen Medien und durch einen Brief des griechischen Migrationsministers. Wir haben Kontakt zum britischen Sender Channel 4 gesucht, der ebenfalls über das Schicksal der Flüchtlingsgruppe berichtet hatte und offenbar auch einen Brief dieses Ministers erhalten hat", so der "Spiegel".

Ombudstelle

Der Fall sei "äußerst kompliziert", die betroffenen Beiträge zu diesem Thema seien bereits am 8. November vorläufig von der Website entfernt worden. Nach Abschluss der Recherchen werde dann entschieden, ob die Beiträge gegebenenfalls in korrigierter und aktualisierter Form erneut veröffentlicht werden. "Dieser Vorgang wurde nach externen Hinweisen von der Anfang 2020 eingesetzten Ombudsstelle angestoßen, wie dies im Rahmen der neuen Kontrollmechanismen vorgesehen ist." Die nun im Auftrag von Chefredaktion und Geschäftsführung stattfindende aktuelle Recherche erfolge unter Beteiligung von Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Abteilungen. (red, 24.11.2022)