Und das Wort eines Kanzlers ist schon wieder Fleischi geworden. Nehammer konnte den "absoluten Vollprofi" der SPÖ gerade noch vor der Nase wegschnappen, und dort ist in diesen Tagen der Bedarf an Message-Control auch nicht gering. Gut so. Generalsekretär Christian Stocker,von dem die Personsbeschreibung stammt und der bisher nicht den Eindruck erweckte, auch ein solcher zu sein, kann aufatmen. Erlösung naht. In der Parteizentrale wird ein neuer crossmedialer Newsroom installiert, die digitale Kommunikation der Partei mit einer sie wenig schätzenden Umwelt wird gebündelt. Das heißt – soll gebündelt werden.

So weit läuft alles wie geschmiert. Leicht wird das nicht, und der auferstandene Bündler wird all die Kompromisslosigkeit, für die er in Fachkreisen einmal bekannt war, zusammennehmen müssen, um seiner Partei noch einmal Freude zu bereiten. Er wolle nicht fünf Jahre bis zum Ende des Verfahrens warten, das er sich in seinem Einsatz für Sebastian Kurz zugezogen hat, wenn er sich für Nehammer vorher nützlich machen kann. Und wer will schon so lange in der Unschuldsvermutung schmoren, wenn man mit dem Einsatz für einen Nachfolger vielleicht vergessen machen kann, dass dem Vorgänger die ganze Messagekontrolliererei letztlich auch nichts geholfen hat.

Gerald Fleischmann übernimmt die Kommunikation der ÖVP.
Foto: Heribert Corn

Vom Beinschab-Tool zum Fleischmann-Tool – was will die Volkspartei damit eigentlich den Wählerinnen und Wählern in einer Zeit sagen, in der ein Kickl unverhüllt damit droht, Bundeskanzler werden zu wollen? Man darf gespannt sein, wie der neue Kommunikationsleiter etwa den Spagat kommunizieren wird, den die Partei gerade in Sachen Migration hinlegt. Wöginger, immerhin der Klubobmann, will die Menschenrechte überarbeiten, EU-Vizepräsident und Europaabgeordneter Karas hält das, was Wöginger will, die Vermischung von Menschenrechten mit dem Thema Asyl, für unsäglich. Ebenso tut dies Verfassungsministerin Edtstadler. Man kann solche Gegensätze unter Spitzenfunktionären der Partei auch kommunizieren, wie Generalsekretär Stocker das versucht. Er nehme Karas’ Fassungslosigkeit "zur Kenntnis", teile aber die Meinung des Innenministers und des Bundeskanzlers. Ein Bollwerk gegen Kickl richtet er damit nicht auf. Generalsekretäre haben in der Volkspartei einmal schon aktivere Rollen gespielt.

Dass der Bundeskanzler ausrücken muss, um die Vetodrohung seines Innenministers gegen einen Schengen-Beitritt Kroatiens zu widerrufen, dass der Bundeskanzler die illegale Migration ausgerechnet im Verein mit Serbien und Ungarn beenden will, befördert genau das, was Nehammer verhindern will: dass derzeit wieder mehr Menschen einem Kickl zustimmen, wenn er meint, diese Volkspartei könne man nicht ernst nehmen. Die Eskapaden des Parlamentspräsidenten und die Kooperationsbereitschaft von schwarzen Landeshauptleuten tragen dazu noch bei. Unter Kurz hätte es das nicht gegeben.

Der Eindruck, die Partei wachse ihrem 100-prozentigen Obmann über den Kopf, wird mit nahenden Wahlterminen stärker. Die Bestellung dieses Kommunikationsleiters erscheint da eher als ein Ausdruck der Verzweiflung denn als Morgenrot eines neuen Aufbruchs. Dass die Wahl auf einen Wiedergänger fiel, könnte auch auf Nostalgie hindeuten. (Günter Traxler, 25.11.2022)