Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs steht noch aus.

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Luxemburg/Brüssel – Eine Umweltverträglichkeitsprüfung kann verpflichtend sein, wenn ein geplantes Städtebauprojekt an einer Unesco-Welterbestätte liegt. Diese Meinung vertrat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs am Donnerstag in einem Rechtsstreit (C-575/21) zur Neugestaltung des Heumarkt-Areals im historischen Zentrum Wiens, einer Unesco-Welterbestätte. Die Wertinvest Hotelbetriebs GmbH von Michael Tojner will das Bauvorhaben umsetzen.

Die Wertinvest legte Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien mit dem Antrag ein, den Magistrat der Stadt zur Erteilung einer Baubewilligung für das Vorhaben zu verpflichten. Im österreichischen Recht sind weder Schwellenwerte oder Kriterien festgelegt, die den Standort oder die Art von Städtebauvorhaben betreffen, bei denen die Verpflichtung entsteht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, noch ist dort eine Einzelfallprüfung der Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen. Das Verwaltungsgericht Wien hatte Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem EU-Recht und daher den Fall an den EuGH verwiesen.

Der Generalanwalt schlug nunmehr vor, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung verpflichtend sein kann, wenn ein geplantes Städtebauprojekt an einer Unesco-Welterbestätte liegt. Dass das Projekt einen bestimmten, in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Schwellenwert nicht erreicht, könne nicht dazu führen, dass die Notwendigkeit einer solchen Prüfung nicht geprüft werden müsse. Die Behörden hätten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Projekte im Einzelfall daraufhin zu überprüfen, ob sie möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und dann einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Die Notwendigkeit, Stätten von historischer, kultureller oder archäologischer Bedeutung zu schützen, sei im Zusammenhang eines für eine Unesco-Welterbestätte geplanten Städtebauprojekts besonders relevant.

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs steht noch aus. Üblicherweise folgen die EU-Richter dem Generalanwalt in vier von fünf Fällen.

"Urteil abwarten"

Wiens Landtagspräsident Ernst Woller (SPÖ) betonte in einer Aussendung, dass sich die Meinung des Generalanwalts auf den Plan A beziehe, also auf das im Jahr 2020 eingereichte Projekt des Heumarkt-Areals. "Es muss jedenfalls das eigentliche Urteil des Europäischen Gerichtshofs abgewartet werden, das noch aussteht und erfahrungsgemäß im Frühjahr 2023 ergehen wird," sagt Woller.

"Eine Welterbe-konforme Lösung in der Heumarkt-Causa ist weiterhin ausständig und aktuell sind offensichtlich auch keinerlei Bestrebungen seitens der Stadtregierung erkennbar. Das muss sich endlich ändern", sagt die Planungssprecherin der Wiener Volkspartei Gemeinderätin Elisabeth Olischar.

Woller widerspricht: Ganz im Gegenteil seien alle von der Unesco geforderten Empfehlungen bearbeitet worden bzw. seien in Umsetzung. Darunter die Erstellung eines Managementplans für das Unesco-Welterbe "Historisches Zentrum von Wien" sowie die Verankerung des Welterbeschutzes in der Wiener Bauordnung. (APA, red, 24.11.2022)