Steinmarder sind für die meisten Schäden an Auto- und Stromkabeln verantwortlich.
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In den frühen Morgenstunden blieb es am Donnerstag in einigen Vorarlberger Gemeinden dunkel. Grund für den Stromausfall, von dem über 6.200 Haushalte betroffen waren, war ein Marder. Dieser war in ein Umspannwerk des Kraftwerks Rieden eingedrungen und in den Stromkreis geraten, teilte der Betreiber Illwerke VKW mit. Durch die dabei ausgelöste Schutzabschaltung fiel der Strom für etwa 40 Minuten aus. Der Marder überlebte seine Entdeckungstour nicht. Nach der Entfernung des Kadavers konnte der Betrieb wiederaufgenommen werden.

Steinmarder für Kabelbisse verantwortlich

Kabelbisse in Schaltkästen, aber auch in Autos durch Marder sind weit verbreitet, wenngleich diese Vorfälle in den seltensten Fällen ein ganzes Kraftwerk vom Netz nehmen. Verantwortlich für die durchtrennten Kabel sind praktisch ausschließlich die Steinmarder, die sich anders als die artverwandten Baummarder im urbanen und bewohnten Raum wohlfühlen. Warum sie es immer wieder auf die Elektronik abgesehen haben, hat laut dem Wildtierbiologen Richard Zink von der Veterinärmedizinischen Universität Wien mehrere Gründe.

"Alle Marderartigen wie Fischotter, Wiesel, aber eben auch der Steinmarder sind nicht nur neugierig, und verspielt, sondern beißen einfach gerne. Diese Beißlaune verstärkt sich, wenn sie fremdes Territorium inspizieren und den Geruch eines Artgenossen wahrnehmen – etwa in Autos", erklärt Zink im STANDARD-Interview. Dass sie gerne auf Kabel herumbeißen, habe folglich wenig mit dem Material zu tun, sondern sei mit Hunden vergleichbar, die ebenfalls auf allen möglichen Gegenständen wie Schuhen herumkauen würden. Schaltkästen, aber auch Motorräume seien zudem ein warmer Ort, der Schutz biete. Deshalb seien sie gerade dort oft zu finden.

DER STANDARD

Marderpopulation gestiegen

Wie viele Steinmarder hierzulande ihr Unwesen treiben, ist nicht bekannt – eine zuverlässige Schätzung ist laut dem Wildbiologen nicht möglich. Was jedoch klar ist: Die Gesamtpopulation des Steinmarders hat anders als die des Baummarders und Iltis in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen. Das liegt an der hervorragenden Anpassungsfähigkeit des nachtaktiven Tiers, das bei der Nahrungsauswahl wenig wählerisch ist. Gleichzeitig profitiert er vom Stickstoffüberfluss, der die Nahrungskette ankurbelt, und von steigenden Kleinsäuger- und Taubenpopulationen, die zivilisatorisch durch anfallende Nahrungsreste bedingt sind.

Schutz vor Marder im Auto und zu Hause

Die Liste, wie man sich angeblich gegen Kabelbisse schützen kann, ist lang: Menschen stellen unmittelbar bei ihren Autos Plastikflaschen auf, die beim Umfallen den Marder vertreiben sollen. Auch Hundehaare im Motorraum werden als Abschreckung genannt, wie auch elektronische Geräte, die mit einer hohen Frequenz die geschickten Tiere vertreiben sollen. Laut Biologe Zink wirken diese Maßnahmen maximal kurzfristig: "Marder sind sehr intelligent und lassen sich von einer Plastikflasche nicht allzu lang täuschen. An hohe Frequenzen gewöhnen sie sich auch schnell. Darauf deutet zumindest eine Untersuchung hin, die wir mit Dachsen durchgeführt haben."

Marder sind besonders geschickte Kletterer.
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Um das eigene Auto zu schützen, hilft eine Garage – sofern diese keine Schlupflöcher bietet. Manche Autohersteller sind auch dazu übergegangen, ihre Kabel bisssicher zu gestalten. Auch Gitter, um den Motorraum zu verschließen, können Abhilfe schaffen. Wenn das eigene Haus zur Marderwohnstätte umfunktioniert wurde, sind Vertreibungsmaßnahmen praktisch zwecklos. Vielmehr müsse man den Zugang bzw. etwaige Löcher verschließen, die die Tiere für ihren Zugang benutzen. "Bei Industrieanlagen ist das ungleich schwieriger, weil man kaum herausfinden kann, wo der Zutritt besteht", erklärt Zink.

Marder entfernen zieht neue nach

Gerade im urbanen Bereich komme es immer wieder zu Konfliktsituationen. Vielerorts bestehe auch der Wunsch, dass Marder lebend eingefangen und an einem anderen Ort ausgesetzt werden. Laut Zink werde das potenzielle Problem damit nur verlagert. Außerdem komme es zu einem Kompensierungseffekt, den man auch bei anderen Tieren wie etwa Krähen kenne. "Wenn ich ein Tier entnehme, kann das im Extremfall dazu führen, dass am nächsten Tag dort zwei bis drei neue erscheinen, die das nun unbesetzte Revier für sich reklamieren wollen", sagt der Biologe.

Wer übrigens wissen will, wo etwa in Wien schon einmal ein Marder und andere Wildtiere gesichtet wurden, kann dies über die interaktive Karte auf der Plattform Stadtwildtiere.at tun, dessen Leiter Zink ist. Über diese kann man auch Zufallssichtungen in ganz Österreich eintragen. Die Beobachtungen aus der Bevölkerung sollen Forschenden dabei helfen, das Vorkommen und die Populationsentwicklung verschiedener Wildtierarten wissenschaftlich auswerten zu können. (Martin Stepanek, 24.11.2022)