Kontra K könnten vermeintlich sichere Chats zum Verhängnis geworden sein.

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Berichte über den Rapper Kontra K drehen sich derzeit eher um Chats als um Charts. Wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen den deutschen Popstar. Er soll über sein Handy Geschäfte über etwa 100 Kilogramm Cannabis verabredet haben. Kontra K, der mit bürgerlichem Namen Maximilian Diehn heißt, bestreitet die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Laut Informationen des NDR soll Diehn den Drogenhandel über ein Mobiltelefon der Marke Encrochat abgewickelt haben, das eine verschlüsselte Kommunikation garantieren sollte. Anfang 2020 gelang es der französischen Polizei allerdings, die Server des Unternehmens zu hacken und die Chatnachrichten tausender Menschen über mehrere Monate hinweg mitzuschneiden.

Die Daten teilten die Franzosen mit Polizeibehörden anderer Länder. Hunderte Festnahmen auf der ganzen Welt, auch in Deutschland und Österreich, waren die Folge. Aber dürfen österreichische Behörden die Daten aus dem französischen Hack überhaupt verwerten und die Ergebnisse vor Gericht bringen?

VfGH hob Staatstrojaner auf

Der französischen Polizei war schon vor knapp fünf Jahren aufgefallen, dass Kriminelle aus dem Drogenmilieu immer wieder die verschlüsselten Mobiltelefone von Encrochat nutzten. Anfang 2020 bewilligte ein Gericht den Ermittlerinnen und Ermittlern dann, das Unternehmen zu hacken. Wie genau ihnen das schließlich gelungen ist, ist nicht bekannt. Sie dürften allerdings mithilfe niederländischer Kollegen einen Trojaner auf dem Encrochat-Server installiert haben, der die Daten unbemerkt absaugte.

In Österreich wäre das in dieser Art und Weise wohl nicht legal gewesen: Den geplanten Staatstrojaner hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Jahr 2019 für unzulässig erklärt. Die vertrauliche Nutzung von digitalen Nachrichtendiensten sei "wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK" und deren Überwachung durch einen Staatstrojaner ein "schwerwiegender Eingriff" und nur in "äußerst engen Grenzen" zulässig.

Dies deshalb, weil die Daten Rückschlüsse auf die "persönlichen Vorlieben, Neigungen, Orientierung und Gesinnung sowie Lebensführung des Nutzers ermöglichten". Zudem habe ein Staatstrojaner gegenüber anderen Überwachungsmaßnahmen eine "signifikant erhöhte (Streu-)Breite" und betreffe damit "eine Vielzahl an auch unbeteiligten Personen". Mit seinem Verweis auf die "äußerst engen Grenzen" lässt der VfGH jedoch ein Türchen offen, das die Regierung laut ihrem Programm nutzen will.

Verwertung dennoch erlaubt

Allerdings: Die französische Polizei ist – im Gegensatz zu den österreichischen Behörden – nicht an die österreichische Strafprozessordnung gebunden. Und Daten, die bloß an Österreich übermittelt werden, dürfen laut dem Obersten Gerichtshof (OGH) grundsätzlich von Polizei und Gerichten verwertet werden – außer die Initiative geht von den österreichischen Behörden aus.

Der OGH hat diese Rechtsprechung erst kürzlich in einem sehr ähnlichen Fall bestätigt: Etwa zeitgleich mit den Encrochats trudelte im Innenministerium auch eine Flut an Daten vom FBI ein. Der US-Behörde war es gelungen, manipulierte Telefone, die vermeintlich abhörsicher waren, in kriminellen Netzwerken in Umlauf zu bringen.

Ein mutmaßlicher Drogendealer, dem die Behörden dadurch auf die Schliche kamen, beschwerte sich trotz eindeutiger Beweislage bei Gericht: Die Daten des FBI hätten im Verfahren nicht verwertet werden dürfen. Die Fake-Handys seien als "Einsatz von Lockspitzeln" zu qualifizieren und damit eine Ermittlungsmethode, die hierzulande verboten sei.

Erfolg hatte der Mann mit dieser Argumentation aber nicht: Selbst wenn die Vorgangsweise nach österreichischem Recht unzulässig wäre, dürften die Gerichte die Daten laut OGH verwerten. Schließlich habe das FBI die Ermittlungen in die Wege geleitet – "ohne Zutun und ohne Veranlassung" der Österreicher (OGH 22. 2. 2022, 15Os11/22i).

Fall für den Menschenrechtsgerichtshof?

Unumstritten ist diese Rechtsprechung freilich nicht. Schließlich könnte sie dazu führen, dass österreichische Standards indirekt ausgehebelt werden – vor allem in Anbetracht neuer technischer Möglichkeiten und riesiger Datenmengen. Früher oder später wird die Frage deshalb wohl auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg aufschlagen. (Jakob Pflügl, 25.11.2022)