Martin Kocher ist in seiner Rolle als Arbeitsminister dafür, Menschen aus der Ukraine die Sozialhilfe zu gewähren, um sie so besser in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

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Ärztinnen und Ärzte weisen auf den akuten Personalmangel im Medizinbereich hin. Einige Wirte schließen früher. Manche Betriebe sperren an bestimmten Tagen nicht mehr auf. Andere schließen überhaupt ganz. Grund dafür sind nicht immer die Inflation und die steigenden Kosten – oft liegt es auch daran, dass einfach kein qualifiziertes Personal gefunden werden kann, obwohl man "händeringend" sucht.

"Wir müssen uns auf Zeiten einstellen, in denen Arbeitskräfte aufgrund von demografischen Entwicklungen knapper werden", sagte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) dem ORF. Und ein Allheilmittel, um das Problem zu lösen, gebe es nicht, aber "viel Potenzial im In- und Ausland".

Sozialhilfe für Menschen aus der Ukraine

Eine aktuell diskutierte Möglichkeit ist inzwischen, Ukrainerinnen und Ukrainern die Sozialhilfe zu gewähren. Dadurch wären diese beim Arbeitsmarktservice (AMS) registriert und könnten so besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dazu meint Kocher: "Das wäre ein Wechsel der Strategie, dann gäbe es eine Pflicht, in Österreich zu arbeiten. Als Arbeitsminister glaube ich, dass wir viele dieser Menschen brauchen – die Frage ist aber, wie lange sie bleiben."

Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) forderte im STANDARD-Interview zuvor, bürokratische Hürden für ukrainische Flüchtlinge abzubauen: "AMS-Chef Johannes Kopf hat den Vorschlag gemacht, Vertriebene aus der Ukraine in die Sozialhilfe hineinzunehmen. Es darf da keine Denkverbote mehr geben. Ich bin der Meinung, der Anspruch auf Sozialhilfe ist eine gute Möglichkeit, um Ukrainer leichter in den Arbeitsmarkt zu integrieren."

Die aktuelle Lage

Wie schlecht das im Moment funktioniert, zeigt die Geschichte von Mariia Iefemieienko, einer 42-jährigen Juristin aus der Ukraine, die einst als leitende Managerin arbeitete und in Österreich Jobs als Erdbeerpflückerin oder Zimmerfrau angeboten bekommt. Das unterstreicht die Tatsache, dass der größte Teil der Beschäftigungsbewilligungen für Menschen aus der Ukraine an Firmen gegangen ist, die Köchinnen und Küchengehilfinnen suchten.

Was allgemein arbeitswillige Menschen aus dem Ausland betrifft, verweist der Minister auf die Rot-Weiß-Rot-Karte: "Wir haben damit eine Reform in Kraft gesetzt. Das ist unser Instrument für die Zuwanderung aus Drittstaaten." Und er ist überzeugt, dass qualifizierter Zuzug für den Standort Österreich wichtig sei und die "Anzahl der Fachkräfte über die Rot-Weiß-Rot-Karte massiv steigen" werde. Arbeitswillige ohne Aussicht auf Asyl hätten die Möglichkeit, eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu beantragen, Kocher sagt aber ganz klar: "Wir wollen qualifizierten Zuzug haben." Projekte, bei denen Österreich Herkunftsländern, die ausbilden, finanziell hilft, "sollte man auf jeden Fall ausbauen".

Doskozil für scharfe Asylpolitik und Mindestlohn

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) fordert bezüglich der Asylberechtigten, "dass die Verfahren beschleunigt, negative Bescheide rascher vollzogen und die Asylsystematik generell verändert werden sollte", heißt es aus seinem Büro.

Sein Zugang zur "Aktivierung" von Arbeitslosen sei generell, dass das "nicht über verschärfte Sanktionen beim Arbeitslosengeld funktionieren wird, sondern durch eine vernünftige Entlohnung, speziell auch im sogenannten Niedriglohnsektor". Daher vertrete er seinen Einsatz für eine Ausweitung des burgenländischen Mindestlohnmodells von 1.700 Euro netto, also zumindest zehn Euro netto pro Stunde, für jede Form von Arbeit, "damit als Anreiz auch der Abstand zwischen Arbeitslosengeld beziehungsweise Mindestsicherung ausreichend groß ist".

Degressives Arbeitslosengeld

Doskozil spricht sich damit gegen das immer wieder diskutierte degressive Arbeitslosengeld aus, dem Kocher jedoch etwas abgewinnen kann. Ihm gehe es dabei aber nicht darum, "die Daumenschrauben anzudrehen", sondern es sei ein mögliches und gutes Modell, "weil man so rasch ein Signal bekommt, dass es gut wäre, eine Arbeit anzunehmen".

Arbeitsminister Martin Kocher im "Report"-Interview.
ORF

Die Situation wird sich aber in nächster Zeit entschärfen, ist Kocher überzeugt, denn die Lage werde vor allem in Zeiten der Hochkonjunktur herausfordernder. "Aber wir erwarten eine Abkühlung der Konjunktur in den nächsten Monaten. Aber man muss jetzt Maßnahmen setzen", ist er überzeugt, "um im nächsten Aufschwung nicht einen noch größeren Mangel zu haben."

Arbeiten in der Pension attraktivieren

Das ginge etwa, wenn man darauf schaue, dass Menschen tatsächlich bis zum regulären Pensionsantrittsalter arbeiten – "so das gesundheitlich geht". Aber es gebe aktuell zu wenige Anreize für jene, die bereits im Pensionsantrittsalter sind, weiterzuarbeiten, "zum Beispiel weil die Sozialversicherungsbeiträge sehr stark wirken". Kocher könnte sich vorstellen, "die Pensionsbeiträge für die, die schon im Pensionsalter sind, zu streichen", um das Weiterarbeiten attraktiver zu machen.

Hier hakt der für den Arbeitsmarkt zuständige burgenländische Landesrat Leonhard Schneemann (SPÖ) ein und sagt: "Grundsätzlich ist es nicht unsere Ansinnen, dass Menschen in Pension weiterarbeiten. Sie haben ihren Beitrag bereits geleistet. Bei Frühpensionisten ist es oft so, dass sie nach jahrelanger schwerer Arbeit gesundheitlich nicht mehr ihrer Arbeit nachkommen können."

Regierung ist gefordert

Zudem liegen die wahren Probleme seiner Meinung nach auch noch an anderer Stelle, und er fürchte, dass sich das Problem der Personalnot bald nicht mehr stellen könnte, und verweist auf die Situation im Burgenland: "Allein in den vergangenen zwei Wochen haben Walstead Leykam, Weitzer Parkett und Kludi Personalabbau angekündigt. Und es könnten noch weitere Beispiele folgen. Hier ist vielmehr die Regierung gefragt, endlich Initiative zu zeigen und Maßnahmen zu setzen, um die Teuerung in den Griff zu bekommen." Schneemann blickt nach Deutschland, wo "unsere Nachbarn mit einem Gaspreisdeckel am 1. Februar 2023 vorangehen. Worauf wartet unsere Regierung? Mit ihrer Kopf-in-den-Sand-stecken-Politik gefährdet sie massiv den Wirtschaftsstandort Österreich, sorgt für einen enormen Wettbewerbsnachteil und schaut dem Betriebssterben zu." (Guido Gluschitsch, 25.11.2022)