Laut einer Umfrage der ÖH erleben zwölf Prozent der Studierenden sexualisierte Gewalt an der Uni.

Foto: Christian Fischer

Wien – Zwölf Prozent der Studierenden haben im vergangenen Jahr an ihrer Hochschule eine sexuelle Belästigung, unerwünschte sexuelle Berührung oder gar strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität erlebt. Das zeigt eine am Freitag präsentierte Umfrage der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). Nur etwa 20 Prozent der Fälle wurden dabei der zuständigen Stelle gemeldet.

Für die Umfrage wurden an alle 380.000 Studierenden Fragebögen ausgesendet, rund 10.200 beantworteten diesen vollständig. Knapp 1.200 bzw. 11,6 Prozent berichteten dabei von einer sexuellen Belästigung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes. Dazu muss dieses Verhalten unerwünscht gewesen sein, die Würde der Person verletzt und das Studium beeinträchtigt haben. Das kann etwa von sexuell konnotierten Witzen über Bemerkungen über den Körper bis hin zu unerwünschten Annäherungsversuchen und körperlichen Übergriffen reichen.

"Alltag" von Studierenden

2,4 Prozent bzw. 244 erlebten unerwünschte sexuelle Berührungen – das ist das eindeutig sexuell gemeinte Angreifen von Brüsten, Genitalien, Gesäß oder Oberschenkeln. 0,5 Prozent bzw. 53 waren sogar mit nach dem Strafgesetzbuch sanktionierten Handlungen gegen die sexuelle Integrität oder Selbstbestimmung konfrontiert – also etwa geschlechtliche Nötigung oder Vergewaltigung.

"Sexualisierte Gewalt gehört zum Alltag an den Hochschulen", kritisierte ÖH-Vorsitzende Keya Baier (Gras) bei einer Pressekonferenz. Betroffen sind mehrheitlich Frauen, bei unerwünschten sexuellen Berührungen sind nichtbinäre, Inter- und Transpersonen überproportional häufig Opfer.

Studierende als Täter

Täter sind primär andere Studierende. Bei sexuellen Belästigungen sind dies aber in knapp 40 Prozent der Fälle Lehrende, bei unerwünschten sexuellen Handlungen in rund einem Drittel. Die meisten Belästigungen finden an öffentlichen Orten wie Hörsälen, Gängen oder Lernplätzen statt, unerwünschte Berührungen und Handlungen primär an semiprivaten Orten wie Ateliers oder Laboren.

Je schwerwiegender der Übergriff, desto eher wird darüber gesprochen. Allerdings: Beinahe jede vierte Betroffene spricht mit niemanden über das Erlebte. Wenn darüber gesprochen wird, dann vor allem mit Freundinnen und Freunden oder der Familie. An zweiter Stelle rangiert bei unerwünschte sexuellen Handlungen die Therapeutin oder der Psychosoziale Dienst. Anders ist das bei der sexuellen Belästigung: Da wird der Übergriff mit Studienkolleginnen und Studienkollegen besprochen. Kaum gemeldet werden Vorfälle den Lehrenden.

Bei einer offiziellen Stelle werden die Übergriffe selten gemeldet: Nur 12,1 Prozent der Betroffenen geben an, unerwünschte sexuelle Handlungen bei der Polizei gemeldet zu haben, 5,2 Prozent gingen zum zuständigen Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKGleich). Bei unerwünschten sexuellen Berührungen gehen gerade einmal 4,4 Prozent zur Polizei, 2,8 Prozent zum AKGleich.

Awareness-Schulungen und Therapieangebote

Die ÖH fordert nun die Hochschulen zum Handeln auf und zwar "mit rasanten Schritten", sagte Sara Velic (VSStÖ) aus dem ÖH-Vorsitzteam. Denn "jeder einzelne Übergriff, ist ein Übergriff zu viel". Es brauche die Verankerung von Awareness-Schulungen für Lehrende, die Einrichtung von unabhängigen Anlaufstellen an allen Hochschulen sowie einen Ausbau von kostenlosen Psychotherapieangeboten. "Zusätzlich wollen wir gemeinsam mit allen vorhandenen Hochschulstellen, Leitfäden und konkrete Handlungsanweisungen erarbeiten, wie am besten gegen sexualisierte Gewalt an Hochschulen vorgegangen werden kann", sagte Boryana Badinska (FLÖ) aus dem Vorsitzteam. (APA, red, 25.11.2022)