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Je fitter man in eine Operation geht, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen, die Verweildauer im Krankenhaus ist potenziell kürzer. Deshalb sollten vor allem ältere Menschen schon vor einem Eingriff etwas für ihre Fitness tun, anstatt auf die Reha danach zu warten.

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Unterzieht man sich einer größeren Operation, etwa einem Eingriff am Herzen, steht danach eine Reha an. Spezielle Trainingsprogramme helfen den Patienten, nach der OP wieder richtig auf die Beine zu kommen. Doch wie sieht es mit der Zeit vor der Operation aus? Kann hier ein Training helfen, die Patienten für die OP fit zu machen? Denn das würde durchaus Sinn machen. Gerade betagte Patienten haben vielfach ein untrainiertes Herzkreislaufsystem, kämpfen mit Übergewicht oder haben wenig Muskeln. Und vorbelastet in eine OP zu gehen, etwa mit Übergewicht oder Blutarmut, erhöht das Risiko für Komplikationen und kann ein schlechteres Ergebnis des Eingriffs nach sich ziehen.

Daher verfolgen Forscherinnen und Ärzte mittlerweile einen innovativen Ansatz: die Prähabilitation. Der Begriff meint – analog zur Nachsorge, der Rehabilitation – die gezielte Vorsorge vor einem chirurgischen Eingriff. Dazu kann ein mehrwöchiges Fitnessprogramm oder eine Umstellung der Ernährung in den Wochen vor der Operation gehören. Auf diesem Weg sollen Nebenwirkungen chirurgischer Eingriffe abgemildert werden, Patientin oder Patient können sich schneller erholen. "Die körperliche Fitness eines Patienten hat großen Einfluss darauf, wie lange der Krankenhausaufenthalt im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs ausfällt", betont Josef Niebauer, Internist, Kardiologe und Sportmediziner am Universitätsinstitut für präventive und rehabilitative Sportmedizin der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation.

Möglichst fit ins Krankenhaus

Außerdem beeinflusse die Fitness, wie lange der Patient auf der Intensivstation verweilt, und die Prognose nach der OP. Als Arzt solle man daher versuchen, die Patienten möglichst fit ins Krankenhaus zu bekommen. "Und als Patient sollte man sich möglichst nicht nur schonen und auf die OP warten", sagt Niebauer, sondern vielmehr die Zeit im Rahmen des gesundheitlich Möglichen nutzen, um fit zu werden. "Jeder Gang die Treppe hoch ist ein Gewinn", sagt der Mediziner.

Hier hat ein Umdenken unter Ärzten stattgefunden. Bei Herzpatienten etwa war man sich lange Zeit gar nicht sicher, ob man sie überhaupt belasten darf. Doch heute weiß man, dass man zumindest die stabilen Patienten auf die OP vorbereiten kann. Auch eine Gewichtsreduktion vor einem Eingriff sei eine gute Idee, betont Niebauer, denn rund die Hälfte der Patienten sei übergewichtig. Außerdem sei es sinnvoll, mit dem Rauchen aufzuhören oder es zumindest zu reduzieren. "Das tut nicht nur der Lunge gut, sondern kann auch den Aufenthalt auf der Intensivstation verkürzen oder gar nicht erst nötig machen."

Bislang wird eine Prähabilitation vor allem im Zuge von Studien durchgeführt, mit teilweise sehr unterschiedlichen Programmen. Das Training kann beispielsweise ein Ausdauertraining auf dem Fahrradergometer sein. In anderen Untersuchungen absolvieren die Teilnehmer ein Krafttraining, ein Atemtraining oder ein Mix aus diesen Trainingsprogrammen. Doch was bringen solche Trainingsmaßnahmen unter dem Strich? Bisher gibt es nur wenige Studien zur Wirksamkeit einer Prähabilitation. Aber die existierenden Untersuchungen stimmen durchaus optimistisch.

Kürzere Krankenhausaufenthalte, weniger Komplikationen

In einer 2022 im Fachblatt "American Journal of Physical Medicine & Rehabilitation" veröffentlichten Metaanalyse haben deutsche Forscher die Studienlage überblickt und sechs Studien ausgewertet. Es handelte sich dabei um Prähabilitation bei Menschen, die sich einem Eingriff am Herzen unterzogen hatten. Ergebnis: Bei Teilnehmern, die vor der OP ein Trainingsprogramm absolvierten, verbesserte sich die Leistungsfähigkeit nach dem Eingriff bei einem 6-Minuten-Gehtest. Die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus verkürzte sich um einen Tag. Und das Risiko von Vorhofflimmern nach der OP verringerte sich, zumindest bei Patienten, die maximal 65 Jahre alt waren.

Auch Niebauer hat sich in einer Übersichtsarbeit zusammen mit Kollegen verschiedene Studien angeschaut: Darunter waren Studien mit Patienten, die vor einer Lebertransplantation, vor einem Eingriff bei Lungenkrebs oder vor einem Eingriff am Darm an Trainingsprogrammen teilgenommen hatten. "Eine Prähabilitation kann laut solchen Studien etwa dafür sorgen, dass die Verweildauer auf der Intensivstation kürzer ausfällt", sagt Niebauer. "Die Patienten haben nach der Operation seltener Lungenentzündungen und die Prognose ist in der Summe besser. Das sind alles lebenswichtige Ergebnisse."

Allerdings sind die Ergebnisse der Übersichtsarbeiten und Metanalysen noch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Denn oft haben die berücksichtigten Einzelstudien methodische Schwächen und nur wenig Teilnehmer. Außerdem sind die bisher untersuchten Prähabilitationsprogramme eben unterschiedlich angelegt, was die Vergleichbarkeit der Studien erschwert.

Frage der Finanzierung

Die Fachgesellschaften rufen bereits dazu auf, mehr Prähabilitation anzubieten. Ein großes Problem ist allerdings, dass die Kliniken in Österreich solche Programme nicht abrechnen können. Dabei spricht eigentlich vieles dafür, dass die Kosten durch eine Prähabilitation insgesamt sogar gesenkt werden können. Indem die Maßnahmen die funktionellen Reserven der Patienten vor der OP verbessern, fällt der Abfall nach dem Eingriff nicht ganz so tief aus. Die Patienten erholen sich schneller, was Kosten spart und Entlassungen schneller möglich macht.

Und es gibt noch ein weiteres Hindernis für die Prähabilitation. Es ist in Zeiten des Personalmangels schwierig, Fachkräfte für die Trainingsmaßnahmen abzustellen. "Allerdings gäbe es hier schon Möglichkeiten, das umzusetzen", ist Internist Niebauer überzeugt. Man müsse ja beispielsweise nicht Physiotherapeutinnen, Pflegekräfte oder Ärzte aus dem eigenen Krankenhaus mit dem Training beauftragen. Denn die hätten mit der klinischen Routine schon genug zu tun. Das Training etwa auf einem Fahrradergometer könnte auch ein Sportwissenschafter übernehmen, der sich zum Medizinischen Trainingstherapeuten qualifiziert hat. "Auch wenn hier kurzfristig Extrakosten anfallen, so ist das volkswirtschaftlich gesehen eine exzellente Investition." (Christian Wolf, 27.11.2022)