Foto: (c) Stefan Fürtbauer

Der Kürbis röstet bereits im Ofen, das Chili-Knusperöl ist schon frittiert, Kevin Ilse zupft jetzt entspannt an einem Asiasalat. Den 38-Jährigen bringt nichts so leicht aus der Ruhe. An der Wand hinter ihm ist ein großer dunkler Fleck. "Da ist vorige Woche ein Smoothie explodiert", sagt er. Wir sind im Studio des Foodbloggers in einer alten Seidenfabrik im Bezirk Mariahilf. Hier kocht und fotografiert Ilse. Auf Instagram kennt man ihn als The Stepford Husband, mehr als 13.000 Fans folgen ihm.

Ilse präsentiert auf seinem Kanal schnelle Rezepte mit Zutaten, die man praktisch überall bekommt. "Gut, den Asiasalat vielleicht nicht, aber dann schreibe ich halt dazu: ‚Du kannst auch Rucola nehmen‘", sagt Ilse. Er reißt seinen zweitürigen Kühlschrank auf, der mit Delikatessen wie Dijon-Senf und Trüffelbutter gefüllt ist. "Eier, Butter und Parmesan habe ich immer da, damit hat man schon fast eine Carbonara."

Ob Smoothie-Explosion oder Granatapfelblogger: Kevin Ilse hat schon viele Erfahrungen in der Szene gesammelt.
Foto: Stefan Fürtbauer

Serviertes Lebensgefühl

Die Landschaft der österreichischen Foodblogs ist unübersichtlich groß geworden. Einen Beleg dafür, dass das Fotografieren von Essen boomt, liefert jährlich der Austria Food Blog Award, der heuer 600 Einreichungen zählte. Die Kanäle sind nicht mehr, wie in Frühzeiten, nur digitale Kochbücher. Viele Foodblogger betreiben richtige Lifestylemedien, mit immer höherem Videoanteil und klar definierten Botschaften.

Ein Lebensgefühl, das häufig serviert wird, hat mit gesunder Ernährung, regionalen Zutaten und einem ökologisch nachhaltigen Lebensstil zu tun. Vegetarische und vegane Blogs werden immer beliebter. Gerne wird vermittelt, dass für ein leckeres Curry kein Tier geschlachtet werden muss. Gerne wird in Videos und Texten auch die Oma eingeführt und von deren urwüchsigem Gemüsegarten oder der warmen Backstube erzählt. Foodblogs stillen eine Sehnsucht nach dem guten, einfachen Leben. Instagram gilt hierzulande dafür als die zentrale Plattform, Instagram ist ein unendlicher digitaler Esstisch.

Kevin Ilse, früher Modejournalist, bloggt bereits seit 2011 über Essen. Wie sieht er die zunehmende Menge an Koch- und Lifestylekanälen? Er grinst. "Bei manchen Rezepten denke ich mir schon: Das kann nicht schmecken. Das sind diese Granatapfelblogger, die wenig können, aber am Schluss halt ein paar Granatapfelkerne drüberstreuen."

Damit das Foto am Ende perfekt wird, muss schon vorher über die Farbkomposition nachgedacht werden.
Foto: Stefan Fürtbauer

Farbkomposition

Warum aber sehen die Teller bei den erfolgreichen Insta-Essern so viel besser aus als bei einem selbst? Ilse erklärt es anhand seines heutigen Gerichts. Auf dem Teller versammelt er neben den Kürbisspalten, Chili-Crisps und Asiasalat noch ein paar Stücke zerrissener Burrata und geröstete Erdnüsse. "Du musst dir schon vor dem Kochen überlegen, wie groß die einzelnen Teile sind und ob sie zusammenpassen. Wenn ich ein Gericht für ein Foto mache, denke ich auch an die Farben", sagt Ilse.

Foodfotografie bedeutet Kompromisse. Ilse hätte seinen Kürbis gerne direkt auf dem Blech geröstet, aber um das Antlitz des Hokkaidos nicht zu gefährden, hat er vorher Backpapier dazwischengeschoben. Auch die vegetarisch lebende Bloggerin Bettina Ganglberger alias bettilicious aus Graz berichtet am Telefon von Konzessionen: "Es fängt, ehrlich gesagt, mit der Frage an: Welches Gericht ist fotogen? Ich liebe zum Beispiel Lasagne, aber sie ist superschwierig zu fotografieren. Porridge-Bowls oder Zimtschnecken wirken einfach schön."

Ilse betreibt seinen Blog eher als Hobby, im Brotberuf ist er Foodfotograf. Bei einem Instagram-Foto hilft Ilse der Optik nicht sonderlich nach, für eine professionelle Hochglanzproduktion kennt er aber Kniffe und Tricks. "Bei einer Garnelensuppe würde die Einlage versinken. Daher füllt man die Schüssel mit Grießbrei auf, gießt fünf bis zehn Millimeter Cremesuppe drüber und legt die Garnele drauf", sagt Ilse. "Bei einem Eintopf nimmt man Zutaten vorher raus, damit sie nicht so viel Farbe annehmen. Generell wird Gemüse nicht durchgegart, damit es knackiger ausschaut." In Ilses Schubladen lagert ein Arsenal an Pinseln, Pinzetten, Pipetten, sogar ein Blasebalg, um Brösel punktgenau wegzupusten.

Barbara Zobl in ihrer sechs-Quadratmeter-Küche.
Foto: Stefan Fürtbauer

Studiowechsel

Schauplatzwechsel zu Barbara Zobl. In ihrer WG-Küche in Rudolfsheim-Fünfhaus bereitet die 26-Jährige ebenfalls einen Kürbis zu, es ist nun einmal Kürbiszeit. Die Oberösterreicherin ist im September beim Austria Food Blog Award zur Hauptsiegerin gekürt worden, dabei hat ihre Küche nur sechs Quadratmeter. "Mein Traum ist ein eigenes Studio", sagt Zobl. Derzeit fotografiert sie für ihren Blog shapesandpeaches noch im Schlafzimmer.

Behutsam angerichtet: Der Ofenkürbis der Food-Bloggerin mit Kräuterseitlingen, Goldhirse und Wirsingtahina.
Foto: Stefan Fürtbauer

Ihren Ofenkürbis richtet sie mit Kräuterseitlingen, Goldhirse, Wirsing und Wirsingtahina, Himbeervinaigrette, Manchego und Koriander an. Die grüne Wirsingtahina streicht sie aus dem Handgelenk auf den Teller, wie eine Künstlerin Ölfarbe auf eine Leinwand. Dann legt sie behutsam Pilz um Pilz, Kürbis um Kürbis sowie drei Wirsingblätter und die restlichen Zutaten dazu. Zum Schluss kommen noch eingelegte Radieschen drauf. "Die geben dem Gericht eine schöne Säure", sagt Zobl. Ihr erster Gedanke gilt dem Geschmack, nicht dem Foto.

Fotografie ohne Stativ, dafür mit Auszeichnung.
Foto: Stefan Fürtbauer

Sie holt ihre Nikon-Kamera und beginnt zu fotografieren. Derzeit besitzt die preisgekrönte Bloggerin weder ein Stativ noch eine Küchenmaschine. Dank ihrer Auszeichnung kämen aber gerade viele Aufträge rein, mit dem Geld will sie aufrüsten. Sie ist zwar beinahe fertig mit einem Lehramtsstudium, aber sie wolle weiterhin als selbstständige Foodstylistin und Foodfotografin arbeiten. Derzeit absolviert sie an der New Design University in St. Pölten den Lehrgang Food & Design. "Der Stil meiner Fotos ist reduziert, nicht da noch ein Bröserl, nicht dort noch ein Schälchen", sagt Zobl.

Vorkoster

Die Foodfotografie hat sich durch den britischen Koch Jamie Oliver und seinen Fotografen David Loftus stark verändert. In den Achtzigerjahren lag das Essen penibel auf einem weißen Teller, seit Jamie Oliver sind die Zutaten auf Fotos unregelmäßig geschnitten und auch die Teller unregelmäßig geformt.

Bleibt die Frage: Wird das Essen von Foodbloggern nicht ständig kalt? "Ja, ich finde aber viele Speisen lauwarm oder kalt sogar besser", sagt Zobl. Ilse hat das Problem nicht, da Arbeit und Wohnung getrennt sind. Er bringt seinem Mann und den zwei Töchtern häufig fotografiertes Essen mit, das dann aufgewärmt werde. Und Ganglberger erzählt, ihr Freund und sie hätten eine einfache Lösung: "Ich shoote oft noch ein Gericht, und mein Freund isst daneben schon." (Lukas Kapeller, 29.11.2022)