Unsere Transparenzserie "So sind wir", in der wir die Bedingungen und die Grundsätze unserer journalistischen Arbeit erläutern, hat viele Reaktionen bei Lesern und "Usern" (so der Fachausdruck für Konsumenten des Online-STANDARD) ausgelöst. Vieles davon bezog sich auf die gesamte österreichische Mediensituation, die oft kritisch gesehen wird.

Als langjähriger Journalist mit Erfahrung bei Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen will ich hier versuchen, das etwas einzuordnen. Das Kriterium dabei soll und muss sein, wie stark in unserer Medienlandschaft die Kräfte sind, die sich für die liberale Demokratie einsetzen. Die sich nicht in rechtspopulistisch-hetzerischen Orgien ergehen oder für autoritäre Tendenzen im In- und Ausland Verständnis haben. Ohne liberal-demokratische Qualitätsmedien ist alles nichts.

Da hat sich einiges ziemlich verändert. Die Krone war lange Zeit nicht nur das bei weitem größte Medium (Reichweite: 44 Prozent), sondern auch ein ungeniertes rechtspopulistisches "Zentralorgan der Gegenaufklärung". In dieser Krone konnte eine Kolumne des Starkolumnisten "Staberl" erscheinen, in der behauptet wurde, die Juden seien ja gar nicht vergast worden, sondern nur in Lagern umgekommen ("wie unsere Kriegsgefangenen"). Das ist heute nicht mehr möglich, was anzuerkennen ist. Nebenbei: Die Krone hat stark an Reichweite verloren.

Der zweite dominante Medienriese ORF stand immer schon unter politischem Einfluss. Aber es gab immer einen Redaktionskern, der sich selbstbewusst antidemokratischen, illiberalen Tendenzen widersetzte. Der Traum der FPÖ und auch der Kurz-ÖVP, den ORF (und die Medien überhaupt) im Sinne Viktor Orbáns umzumodeln, wurde zunächst abgewehrt. Das ist ein laufender Kampf mit ungewissem Ausgang.

Starker Online-Auftritt

Als tendenziell rechtes Krawallmedium ist Fellners Österreich dazugekommen, außerdem gibt es den Versuch, ein rechtsextremes Stänkermedium nach der Art des US-Vorbilds Breitbart zu etablieren. Dafür hat die offizielle Medienförderung hunderttausende Euro übrig. Dazu kommen recht erfolgreiche rechte "Alternativmedien" wie AUF 1 oder Wochenblick.

Der demokratisch-liberale Tageszeitungsjournalismus wird vertreten von den meisten Bundesländerzeitungen sowie von Presse und Kurier. Sie sind konservativ (der Kurier war früher einmal liberal), aber frei von allen autoritären Anwandlungen.

Gegen ebensolche autoritär-populistischen Tendenzen wurde seinerzeit Der STANDARD von Oscar Bronner gegründet (unter dem Eindruck der Waldheim-Affäre). Er betrachtet sich als liberal-demokratisches Qualitätsmedium – und hat auch durch den starken Online-Auftritt eine Sonderstellung bekommen. Mit inzwischen 3,2 bis 3,5 Millionen "Unique Users" pro Monat ist Der STANDARD in den letzten Jahren ein Powermedium geworden.

Die aktuelle Politik pfuscht in der Medienpolitik herum. Aus der Erkenntnis, dass die Wettbewerbssituation gegenüber internationalen Tech-Konzernen gestärkt werden sollte, wird eine Medienförderung gebastelt, die auch Unwürdigen zugutekommt. Inseratenkorruption (Inserate an gefällige Medien) ist bereits staatsanwaltschafts-notorisch. Zur Wiener Zeitung fällt der Politik nichts anderes ein, als zum Teil eine im Kanzleramt angesiedelte (!) Journalistenausbildung zu machen. Besser als der letztlich kontraproduktive Kontrollwahn der Kurz-geführten Regierung. Aber nicht sehr hilfreich im Sinne eines starken liberal-demokratischen Journalismus. (Hans Rauscher, 27.11.2022)