Juristisch dürften Emmanuel Macron die Ermittlungen nicht gefährlich werden. Doch politisch machen sie dem "Präsidenten der Reichen" keinen schlanken Fuß.

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Sein Name taucht in den Akten nirgends auf. Und doch dreht sich alles um ihn: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Die Finanzstaatsanwaltschaft hat nach einer Presseenthüllung bestätigt, dass sie wegen verdächtiger Rechnungen in den letzten Präsidentschaftswahlkämpfen von 2017 und 2022 ermittle. Drei mit der Untersuchung betraute Richter sollen abklären, ob private Beraterbüros auf verdeckte Weise Kandidaten unterstützt haben – und dafür später Aufträge der gewählten Kandidaten erhalten haben. Das würde zwei Tatbestände erfüllen: die unerlaubte Wahlkampfhilfe – denn für die Ausgaben gibt es strikte Limits – sowie Begünstigung.

Was sehr allgemein formuliert ist, deutschen die Pariser Medien aus: Das weltgrößte Beraterbüro McKinsey soll Angestellte in Macrons Wahlkampfteam entsandt haben, ohne dass sie entlöhnt wurden. Ein gewisser Karim Tadjeddine, der bei dem US-Unternehmen für öffentliche Aufträge zuständig war, betätigte sich zum Beispiel 2017 als Macrons Kampagnen-Berater.

Durch Immunität geschützt

Später erhielt McKinsey von Frankreich vermehrt lukrative Aufträge: Laut einem Senatsbericht von letztem März verdoppelte sich das Auftragsvolumen durch die französische Regierung von 2018 bis 2021. Außerdem sollen die Amerikaner in Frankreich keine Unternehmenssteuern zahlen, obwohl sie dort 329 Millionen Euro Umsatz erzielen. Die Steuerbehörden führten deshalb bereits eine Razzia in den Pariser Büro des Branchenleaders durch.

Dass Macrons Name in der Bekanntgabe der Ermittlung nicht genannt wird, ist kein Zufall: Ein amtierender Staatschef ist in Frankreich durch eine umfassende Amtsimmunität geschützt; er kann von der Justiz auch nicht einvernommen, geschweige denn verurteilt werden. Erst nach seinem Amtsende – im Fall Macrons 2027 – würde eine Anklage möglich. Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy wurden später verurteilt; letzterer muss wegen Bestechung sogar ein Jahr in Haft, wenn das Urteil in der laufenden Berufung bestätigt werden sollte.

Regeln eingehalten?

Die Vorwürfe an Macron sind weniger handfest; dafür können sie ihm jetzt schon politisch gefährlich werden. Denn der frühere Investmentbanker ist als "Präsident der Reichen" verschrien, nachdem er die Vermögenssteuer halbiert hatte. Mit der anglophonen Finanzwelt bleibt er per du. Nicht nur die Linke fragt, warum die Beraterbüros in Frankreich 2021 Staatsaufträge von über einer Milliarde Euro bezogen haben. Viele Studien verlangen letztlich zuerst einmal politische Antworten. So etwa die Frage nach der "Entwicklung des Lehrerstatutes" in Frankreich: Dazu lieferte das US-Unternehmen McKinsey einen teuren Bericht ab. In der Covid-Zeit hatte es die Regierung eng beraten.

Macron war schon im April während des Präsidentschaftswahlkampfes zu diesen umstrittenen Aufträgen befragt worden. Er verwahrte sich gegen jeden Verdacht von "Manipulationen oder Tricksereien" und erklärte, bei allen Expertisen seien die Regeln für die Ausschreibung öffentlicher Verträge eingehalten worden. Die Justiz ermittle völlig unabhängig.

Die politischen Auswirkungen sind aber nicht von der Hand zu weisen. Der generelle Eindruck, dass Macron seine früheren Finanzkontakte auch im Elysée weiter pflegt, kommt nicht gut an in einer Zeit, da sich viele Franzosen inflationsbedingt nach der Decke strecken müssen. Das "Mc-Kinsey-Gate" wie es in Paris bereits genannt wird, dürfte den amtsimmunen Staatschef zwar nicht direkt treffen; seinen ohnehin gebremsten Reformkurs wird es aber zweifellos weiter beeinträchtigen. (Stefan Brändle aus Paris, 27.11.2022)