Verhandlungen gescheitert – am Montag wird gestreikt.

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Dass die Lohnverhandler nicht versucht hätten, den Arbeitskampf auf der Schiene abzuwenden, kann niemand behaupten. Bis spät in die Nacht auf Sonntag wurden Argumente und Verhandlungspositionen ausgetauscht. Gebracht hat es nichts. Gewerkschaft Vida und Fachverband Schienenbahnen kamen einander kaum näher.

Und so kommt, was bereits vergangene Woche unausweichlich schien: Die Dienstleistungs- und Verkehrsgewerkschaft Vida legt für 24 Stunden Österreichs Bahnverkehr lahm und nimmt so Millionen Werktätige in Geiselhaft, die zwar Fahrkarten gekauft haben, sich aber ein anderes Verkehrsmittel suchen müssen, um an ihren Arbeitsplatz zu kommen.

Frage der Legitimation

Das wäre zwar auch ärgerlich, wenn es einen sachlichen Grund für die Arbeitsniederlegung gäbe – in einem öffentlich finanzierten Sektor, der der Schienenpersonenverkehr nun einmal ist, stellt sich die Frage der Legitimation einer solchen Aktion aber noch einmal anders. Denn das Angebot der Arbeitgeber in den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen ist nicht ansatzweise so ungenügend, wie die Gewerkschafter rund um Arbeitnehmer-Verhandlungsführer Gerhard Tauchner der Öffentlichkeit weiszumachen versuchen.

Denn erstens decken die von ÖBB und Privatbahnen angebotenen 7,5 Prozent die für den Bahn-Kollektivvertrag maßgebliche Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate ab, sie gehen mit durchschnittlich 8,4 Prozent sogar weit darüber hinaus. Zweitens sorgt das garantierte Minimum von 200 Euro pro Monat, dass die unteren Einkommensgruppen eine Steigerung um mehr als zwölf Prozent erfahren. Obere Gehaltsstufen werden immer noch um gut acht Prozent erhöht. Aufgefettet wird all das durch eine Einmalzahlung von tausend Euro, die alle Bahnbediensteten brutto für netto bekommen.

Weit entferntes Angebot

Wohl ist dieses Angebot weit entfernt von der Forderung der Vida nach einer Erhöhung der Bruttolöhne um mindestens 400 Euro. Aber das liegt nicht daran, dass das Angebot der Bahnen ungenügend oder gar unterirdisch wäre. Unterm Strich hebt sich deren Vorschlag – der nun im Interesse der Eisenbahner und Eisenbahnerinnen inklusive Einmalzahlung als Akonto ausbezahlt wird – deutlich von den vor wenigen Tagen und Wochen fixierten Abschlüssen der Beamten und der Metaller ab. Hätten die Eisenbahner-Vertreter hart verhandelt, wäre die Einmalzahlung vielleicht sogar höher ausgefallen, denn tausend Euro waren lediglich von den Arbeitgebern angeboten. Aber Einmalzahlungen sind aus Sicht der Gewerkschaft offenbar kein vollwertiges Geld.

Ob vor diesem Hintergrund ein 24-stündiger Warnstreik gerechtfertigt ist, ist klar zu beantworten: nein. Zwei bis drei Stunden zur Mittagszeit wären ausreichend, um Druck aufzubauen und der Öffentlichkeit zu zeigen, was der starke Arm will. Man kann natürlich der Ansicht sein, dass die Menschen in Zeiten sehr hoher Inflation als Ausgleich höhere Löhne brauchen – aber bei den Eisenbahner-Forderungen fehlt die Verhältnismäßigkeit. So zu tun, als wären steuerfreie Einmalzahlungen Ausfluss des Bösen, ist frivol. Im Gegensatz zur Metallindustrie stehen Bahnbedienstete nicht im Wettbewerb, ihre Produkte müssen nicht am Weltmarkt bestehen. Sie sind in einer Rezession auch nicht von Jobverlust bedroht. Sie sind de facto kündigungsgeschützt, was für kritische Infrastruktur gut und richtig ist.

Auf seine volkswirtschaftlich besonnene Lohnpolitik war der ÖGB viele Jahrzehnte stolz – erst recht in ungewöhnlichen Zeiten. Sie scheint nun verlorengegangen zu sein. Sie wieder herzustellen ist nun die Aufgabe der Sozialpartner-Spitzen in ÖGB und Wirtschaftskammer. (Luise Ungerboeck, 28.11.2022)