21 Jahre jung und auf dem Sprung zur Weltkarriere: Alexander Malofeev.

Foto: Malofeev

Man hatte sich an diesem Oktoberabend, beim Gastspiel des Sinfonieorchesters des Hessischen Rundfunks im Wiener Musikverein, eigentlich auf Khatia Buniatishvili gefreut – die glamouröse, verführerische Alleskönnerin am Klavier. Doch anstelle der erkrankten Georgierin interpretierte ein junger Russe mit weizenblonden Haaren den Solopart von Rachmaninows drittem Klavierkonzert: Alexander Malofeev.

Nach einem schlicht, fast kühl präsentierten Hauptthema verbreitete in der Kadenz drastische Brutalität Angst; das lyrische Thema, blütenweiche Unschuld in Tönen, beruhigte nach dem Schock die malträtierten Nerven. Die extremen emotionalen Wechselfälle hatten in keinem Moment den Gestus eines Spektakels, Malofeev präsentierte sie wie seine tiefsten inneren Wahrheiten. Nach einem zündenden Finale ließ der Solist ein entflammtes Auditorium zurück.

Rachmaninows drittes Klavierkonzert hat sich in den letzten Jahren zu Alexander Malofeevs signature piece entwickelt. 2019 gab er es mit dem Lucerne Festival Orchester und Riccardo Chailly auf der gemeinsamen China-Tournee, im August dieses Jahres interpretierte er es beim renommierten Tanglewood Festival mit Michael Tilson Thomas und dem Boston Symphony Orchestra. Nicht nur die New York Times zeigte sich davon schwer beeindruckt. Die Zusammenarbeit mit diesen Dirigenten habe seine Interpretation des Werkes bereichert, erzählt Malofeev fernmündlich; Michael Tilson Thomas hätte sich mit ihm vor den Orchesterproben sechs Stunden lang zusammengesetzt, um über die Charaktere der Themen, die Tempi und die Übergänge zu sprechen.

"Alles, was ich im Moment tun kann, ist Musik zu machen"

Ausgebildet wurde Malofeev am Moskauer Gnessin-Institut bei Elena Berezkina, 2014 gewann er den ersten Preis beim Tschaikowsky-Wettbewerb für junge Musiker. Seit kurzem lebt der 21-Jährige in Berlin, er sei gerade intensiv mit Behördengängen und Dokumenten beschäftigt, sagt Malofeev. Der russische Krieg gegen die Ukraine mag ein Grund für seine Übersiedelung gewesen sein – konkret will der Pianist darüber nicht (mehr) sprechen. Anfang März hat er den Krieg auf Facebook als "schreckliche und blutige Entscheidung" bezeichnet, im Telefongespräch will der junge Künstler nur soviel dazu sagen: "Alles, was ich im Moment tun kann, ist Musik zu machen."

Und das scheint Malofeev auch tatsächlich komplett auszufüllen. Nach Hobbys befragt, weiß der Musiker nicht viel zu berichten. Er ist viel auf Tournee, in den USA und auch in Asien, und nachdem er viel am Üben und am Proben sei, liege er zum Ausgleich am liebsten einfach im Bett herum, oder er mache alleine lange Spaziergänge: "Das liebe ich!" Seine Pläne für die Zukunft? Am nächsten Tschaikowsky-Wettbewerb 2023 will er definitiv nicht teilnehmen – die Karriere entwickelt sich ja auch so prächtig. Sein Repertoire will er aber stetig erweitern: Hier sei der Schwerpunkt in der Vergangenheit zu sehr auf Werken russischer Komponisten gelegen; in der Barockzeit und in der Klassik täten sich noch große Lücken auf, die er sukzessive schließen möchte.

Bei seinem Klavierabend in Linz interpretiert er neben Krachern wie Chopins b-Moll Sonate und einer Klavierfassung von Strawinskys Le sacre du printemps mit der vierten Klaviersonate des Schostakowitsch-Jüngers Mieczysław Weinberg auch eine Rarität. Sein Konzert im Brucknerhaus ist fast ausverkauft, wann spielt er wieder in Wien? Möglicherweise im Frühjahr 2024 im Musikverein, meint Malofeev. Aber vielleicht ergibt sich als Einspringer ja schon vorher eine Gelegenheit? Seine neu gewonnenen Wiener Fans würden sich definitiv freuen. (Stefan Ender, 28.11.2022)