Die Bahnsteige des Salzburger Hauptbahnhofs waren am Montagmorgen wie leergefegt.

Foto: Stefanie Ruep

Während sich auf den Linzer Stadteinfahrten der Verkehr bereits ab 6.00 früh deutlich in Richtung zähflüssig entwickelt, finden sich im Bahnhofsgebäude deutlich mehr Journalisten als Fahrgäste ein. Nur wenige haben offensichtlich die Streikankündigung verpasst. Und doch gibt es Bahnkunden, die an diesem Morgen verdutzt vor der grellgelben Informationstafel stehen. "Die Erholung ist jetzt völlig im Arsch", ärgert sich ein deutsches Urlauberpaar. Drei schöne Tage habe man in Linz verbracht, jetzt müsse man unfreiwillig um eine Nacht verlängern: "Aber wir haben morgen berufliche Termine. Uns hat im Hotel keiner etwas gesagt."

Eine junge Dame peilt indes sichtlich nervös den ÖBB-Informationsschalter an. Sie ist Krankenschwester in Amstetten und müsse um 7.30 ihren Dienst antreten. Freundlich, aber bestimmt verweist der Mitarbeiter auf eine "eventuell mögliche" Busverbindung. Was die aufgebrachte Dame nur mäßig beruhigt, aber einen jungen Mann auf den Plan ruft: "Sie müssen das verstehen, es geht um das Leben. Und wenn fast alles im Schnitt um 30 Prozent teurer wird, können die Gehälter nicht gleich bleiben." Auch er müsse beruflich nach Wien. "Meine Firma hat mir schon ein Mietauto organisiert."

Einer, der an diesem verkehrstechnisch heiklen Morgen die Diskussion vor Ort nicht scheut, ist Helmut Woisetschläger. Der Vida-Landesvorsitzende versteht den Ärger der Fahrgäste, aber: "Es ist dem geschuldet, dass wir vor zwei Monaten der Wirtschaftskammer ein Angebot übermittelt haben. Wir haben ja dann eh schon von 500 auf 400 Euro reduziert. Und jetzt sind es statt 200 Euro 208 Euro – das ist eine Demütigung den Arbeitnehmern gegenüber. Aber wir sind trotz Streiks weiter gesprächsbereit."

Straßen-Kleber im Frühverkehr

In Linz haben die Aufmerksamkeit am Streiktag auch drei Aktivisten der Letzten Generation genutzt und sich bei der Autobahnabfahrt Hafenstraße (A7) unweit des Bahnhofs festgeklebt und damit die Abfahrt blockiert. Auch in Innsbruck und Graz blockierten Aktivistinnen und Aktivisten Straßen. Die Protestbewegung fordert "Tempo 100" auf Autobahnen und will auf die Klimakatastrophe aufmerksam machen.

Auf der Abfahrt der Mühlkreisautobahn sorgten Klimaaktivisten der Letzten Generation für eine Straßenblockade.
Foto: APA/Letzte Generation

Staus und Verzögerungen gab es im Frühverkehr insbesondere auf den Stadtautobahnen der Ballungsräume Wien, Klagenfurt, Innsbruck und Linz, sagte ein Sprecher der Asfinag auf STANDARD-Anfrage. "Die klassischen Pendlerstrecken und vor allem die Ortseinfahrten sind betroffen. Etwa wenn man von Wels Richtung Linz oder auf der Mühlkreisautobahn A7 fährt." Größere Probleme oder gar ein Kollaps blieben aber aus. In und um Wien gab es Verzögerungen auf der Südosttangente, der Donauuferautobahn, der S2, der A22 und der Wagramer Straße.

Mit dem Bus von Salzburg nach Hallstatt

Auch in Salzburg sind mehr Journalisten als Fahrgäste am wie leergefegten Hauptbahnhof anzutreffen. Passanten nutzten die Bahnhofshalle überwiegend als Unterführung zwischen den Stadtteilen Schallmoos und Elisabeth-Vorstadt. Vereinzelt kommen auch Touristen mit Rollkoffern an und stehen etwas verdutzt vor den Anzeigetafeln, die auf gelbem Hintergrund über den Streik informieren, anstatt die Abfahrtszeiten anzuzeigen. Eine Urlauberin aus China steht vor der verschlossenen Kundeninfo. Sie will nach Hallstatt und hat Glück, denn als Alternative zum Zug kann sie den Bus über Bad Ischl nehmen.

Vor der Kundeninfo teilt eine junge Frau mit einer orangen ÖBB-Weste Infozettel über den Streik aus. Sie sei keine ÖBB-Mitarbeiterin, sondern von einer Zeitarbeitsfirma kurzfristig vermittelt worden, sagt sie zum STANDARD. Nun beantwortete sie Anfragen, wie jene eines Touristen, der am Dienstag in Wien-Schwechat einen Frühflug erwischen will. "Heute fahren keine Züge nach Wien", erklärt sie auf Englisch. Ein Pärchen aus Deutschland wollte den Zug nach München nehmen. "Da kann man eben nichts machen", sagen sie zum Streik und nehmen den einzigen Schienenersatzverkehr in Anspruch, den es in Salzburg gibt. Ein Bus bringt die Fahrgäste über die Grenze nach Freilassing. Von dort fährt dann die Bayerische Landbahn weiter nach München.

Auch keine O-Busse im Betrieb

In Stadt und Land Salzburg kam es im Zuge des Warnstreiks auch zum "Totalausfall" der Oberleitungsbusse in der Stadt, der Lokalbahn in den Flachgau und der Pinzgau-Bahn. Dass auch die O-Busse bestreikt werden, liegt an der rechtlichen Konstruktion: "Die O-Busse, die durch Strom führende Oberleitungen betrieben werden, gelten eisenbahnrechtlich als Bahn", erläutert Kajetan Uriach, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Vida. Die Regionalbusse der Post und die Busse der Firma Albus fuhren allerdings planmäßig und waren entsprechend frequentiert.

Bestreikt wird nicht nur der Personenverkehr, auch der Güterverkehr auf der Schiene kommt völlig zum Erliegen. Der Verschubbahnhof Salzburg-Gnigl ist völlig verwaist. Laut Gewerkschaft Vida sind am Montag hier etwa 125 Güterzüge nicht abgefertigt worden. In Westösterreich gehört Salzburg-Gnigl zu den zentralen Verschubbahnhöfen mit entsprechend hoher Kapazität.

"Ois zua" in Eisenstadt

Vor dem Bahnhof Eisenstadt stehen um 7.00 Uhr früh fünf Taxis mit laufendem Motor. Vergeblich, denn es gibt hier niemanden, der vom Streik überrascht worden wäre und ein Taxi bräuchte. Mehr – wenn auch nicht viel – los ist am Busbahnhof im Zentrum von Eisenstadt. Um kurz nach sieben Uhr sind es vorwiegend Schülerinnen und Schüler, die ankommen und weiterfahren. Auf der anderen Seite des Gebäudes macht der vermeintliche Bahnhofsvorstand gerade die Tür auf, als er jemanden in Richtung Warteraum gehen sieht. "Do is a zua! Es is ois zua!", ruft er.

Streikende Eisenbahner im Burgenland.
Foto: Guido Gluschitsch

"Lieber wäre uns, wir würden fahren", sagt einer der streikenden Eisenbahner in Wulkaprodersdorf. Nur in der Mittagszeit zu streiken wäre keine Option gewesen, sagt er. Vor Jahren habe es das genauso gegeben: "In der Früh haben wir die Menschen in die Arbeit gebracht", dann legten die Eisenbahner am späten Vormittag die Arbeit für einige Stunden nieder. Heraus kam ein riesiges Chaos. Da sei es besser, gleich gar nicht zu fahren, dann könnten sich die Leute darauf einstellen.

Zwei Minuten später taucht ein junger Mann auf, lange Haare, Rucksack, den Blick stur am Smartphone. Erst vor der Absperrung des Bahnsteigs bleibt er stehen, liest die Streiknotiz, blickt sich noch einmal um und geht wieder. "Einer, der keine öffentlich-rechtlichen Medien konsumiert", mutmaßt einer der Eisenbahner. Der junge Mann muss jetzt improvisieren. Die Taxis stehen alle in Eisenstadt. Da wird ihn keines so schnell an sein Ziel bringen. (Guido Gluschitsch, Thomas Neuhold, Markus Rohrhofer, Stefanie Ruep, 28.11.2022)

Meinungsumfrage zum Bahnstreik: Vor allem international Reisende sind davon überrascht. Unser Videoteam hat sich am Wiener Hauptbahnhof umgehört
DER STANDARD