Der Zweigelt ist der populärste Rotwein Österreichs. In Österreich wird derzeit auf 6.145 Hektar die Zweigelt-Rebe angebaut. Mit 42,6 Prozent der Rotweinfläche ist sie daher mit großem Abstand vor Blaufränkisch die wichtigste Rotweinrebe des Landes. Im Gegensatz zu traditionellen Weinsorten wie St. Laurent ist sie im Weinbau einfacher zu handhaben, und aus Winzerkreisen hört man, dass sich aus Zweigelt-Trauben eben verlässlich Weine machen ließen, die "den Leuten schmecken". Ein im Geschmack nicht erkenntlicher Schönheitsfehler: Der 1964 verstorbene Friedrich Zweigelt war glühender Nationalsozialist.

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Diese Zweigelt-Trauben verdarben aufgrund von zu viel Sonne. Um die Sorte vom Mief des Nationalsozialismus zu befreien, wird immer wieder eine Verwendung des ursprünglichen Namens "Rotburger" oder eine Umbenennung in "Blauer Montag" angedacht.
Foto: Johannes Simon/Getty Images

Nun widmet sich der Düsseldorfer Autor und Journalist Daniel Deckers dem Urheber der populären Rebe, die überhaupt "die flächenmäßig bedeutendste Neuzüchtung weltweit" sei. Sein Buch wird am 29. 11. in der Buchhandlung Orlando in Wien-Alsergrund präsentiert.

Auf der Erfolgsgeschichte der Rebsorte liege ein Schatten, schreibt Deckers: "Denn so umtriebig und findig Zweigelt als Wissenschaftler war, so sehr war er von Jugendtagen an völkisch-national gesonnen. Diese Prägung mündete früh in eine Begeisterung für den Nationalsozialismus. Von 1938 an war der nunmehrige kommissarische Leiter der Klosterneuburger Anstalt nach Jahren der Illegalität ganz offiziell ein Parteigänger der braunen Gewaltherrscher."

Umbenennung in "Rotburger"?

Deckers widmet sich Fragen, die seit Jahren unter der Oberfläche schwelen: "Kultivieren also heute alle, die seit den 1960er-Jahren die 'Zweigeltrebe' in ihren Rieden ausgepflanzt haben, eine Nazi-Rebe? Und trinken folglich alle, die an Weinen aus dieser Rebsorte Gefallen finden, Nazi-Wein?" Man könne doch, meint Deckers, sich des braunen Erbes entledigen, indem man den Wein unter dem Synonym "Rotburger" in den Verkehr bringt, wie es weinrechtlich in Österreich seit 1978 möglich ist.

Daniel Deckers, "Friedrich Zweigelt (1888-1964)Wissenschaftler, Rebenzüchter, Nationalsozialist", €37,–/196 S., Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2022.

Nach intensivem Aktenstudium glaubt Deckers zwar, Zweigelt von Vorwürfen der Denunziation von Schülern und Mitarbeitern exkulpieren zu können, und führt ins Treffen, dass es keinen einzigen dokumentierten Fall gebe, in dem dieser Menschen aus politischen oder "rassischen" Gründen konkret geschadet habe, doch die Manuskripte zu seinen Reden, die er als überzeugter Nationalsozialist gehalten hat, lassen an seiner Gesinnung wenig Zweifel. Das Buch zeichnet das Bild eines begeisterten Wissenschafters, der ein europaweites Forschungsnetzwerk aufgebaut hat. Der gebürtige Hitzendorfer war zweifellos ehrgeizig und setzte alles daran, seinen Ruf und jenen der von ihm ab 1942 als Direktor geleiteten Höheren Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg zu mehren.

Name "Zweigelt" erst nachträglich

Der Zusammenbruch des Dritten Reiches brachte auch das Ende seiner wissenschaftlichen Karriere. Seine 1922 erstmals vorgenommene Neuzüchtung aus den Sorten Blaufränkisch und St. Laurent trat erst nach dem Zweiten Weltkrieg und ohne seine aktive Mitwirkung ihren Siegeszug an.

Deckers hat mit dem vorgelegten Material vor allem ein Ziel: "Dass die oftmals hitzig geführte Debatte über das Für und Wider einer Rebsorte namens Zweigelt auf einer sachlicheren Basis geführt würde als bislang." (red, APA, 28.11.2022)