Von einer neuen Galerie ("Plenarium") unter dem ebenfalls neuen Glasdach haben Besucherinnen und Besucher die Abgeordneten besonders gut im Blick.
Foto: Heribert Corn

Auf den ersten Blick ist er zwar nicht auszumachen, aber dennoch existent: Ein Sprung zieht sich durch eines der neuen Glaselemente am Parlamentsdach. Fällt das geschichtsträchtige Gebäude am Wiener Ring, das in den vergangenen fünf Jahren saniert wurde und kurz vor der Inbetriebnahme steht, etwa schon wieder auseinander? Alexis Wintoniak, Vizedirektor des Parlaments und Generalbevollmächtigter für dessen Überholung, beruhigt: "Wer ein Glasdach hat, der weiß, dass dieses einen gewissen Wartungszyklus hat." Der Sprung sei "im Rahmen" und vermutlich ein Vogel dafür verantwortlich.

Pannen, die kann Wintoniak auf den letzten Metern nicht mehr brauchen. Am 12. Jänner findet die feierliche Wiedereröffnung des renovierten Hohen Hauses statt. Und um zu demonstrieren, was dieses nun kann, führt Wintoniak Medienvertreterinnen und Medienvertreter aus dem In- und Ausland am Montag durch die herausgeputzten Säle.

Die Glaspaneele über dem Nationalratssaal sind elektrochrom – ihre Lichtdurchlässigkeit kann gesteuert werden.
Foto: Heribert Corn

An die einstige Großbaustelle erinnert noch wenig: das Malervlies auf den langen Gängen, die eine oder andere Leiter und Schutzfolien hie und da. Die gezeigten Räumlichkeiten sind – angefangen beim umfunktionierten Budgetsaal, wo künftig der Bundesrat zusammenkommt, bis zu den beiden neuen Lokalen für (U-)Ausschüsse – bereits vollständig möbliert. Ein zentraler Einrichtungsgegenstand fehlt allerdings noch: jener vergoldete Bösendorfer-Flügel, den Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) um 3.000 Euro monatlich für seinen Empfangssalon anmieten lässt.

Dieser auch "Blauer Salon" genannte Bereich befindet sich an der Stirnseite der Säulenhalle. Teil der Führung ist er – Stichwort Pannenvermeidung – allerdings nicht. Wann das prunkvolle Instrument angeliefert wird, bleibt ein Geheimnis. "Im Lauf der nächsten Wochen", sagt Wintoniak zum STANDARD.

Die Akustik passt (endlich)

Akustische Erlebnisse hat das Parlament auch ohne Luxusklavier zu bieten. "Die folgende Durchsage wird zum Test durchgeführt. Wir überprüfen im gesamten Areal akustische Signale", tönt es plötzlich aus den Lautsprechern. Es ist eine von vielen Proben, die dieser Tage stattfinden.

Im neu ausgebauten Dachgeschoß befinden sich das Restaurant Kelsen mit serviciertem Mittagstisch und Abendöffnung, eine Kantine zum Mittagessen und ein Bistro für zwischendurch.
Foto: Heribert Corn

Erst vergangene Woche spielte die Parlamentsdirektion mit satten 560 Statistinnen und Statisten eine Nationalratssitzung durch. Weitere zu probende Ereignisse: ein Staatsbesuch und eine Publikumsführung. Emsig geübt wird auch im neuen, öffentlich zugänglichen Gastrobereich auf dem Dachboden: Dort sind eine Kantine, ein Restaurant und ein Bistro untergebracht, wo bereits Probe gekocht wird.

Der absolvierte Testdurchlauf im Nationalratssaal war insofern heikel, als dieser Raum einer der großen Stolpersteine bei der Generalsanierung war. Ein für den Nationalfeiertag am 26. Oktober geplanter Eröffnungsfestakt musste wegen Akustikproblemen abgesagt und die Eröffnung auf Jänner verschoben werden. Mit Dämmmaterial im Unterboden und durchsichtigen Akustiksegeln konnte mittlerweile Abhilfe geschaffen werden. "Die Akustik ist besser, als wir sie jemals hatten", zeigt sich Wintoniak beim Lokalaugenschein zufrieden.

Die Mandatarinnen und Mandatare benötigen nun keine Verlängerungskabel mehr, sondern haben Computeranschlüsse und ein Zehn-Zoll-Display auf ihren Plätzen.
Foto: Heribert Corn

Die neuen Plätze der Abgeordneten sind technisch aufgemotzt: Alle Mandatarinnen und Mandatare haben nun eigene Computeranschlüsse und ein Zehn-Zoll-Display auf ihren Tischen. Einer elektronischen Abstimmungsanlage – und damit der Transparenz ihres Stimmverhaltens – verweigern sich die Abgeordneten hingegen weiterhin. Die Geschäftsordnung des Parlaments müsste dafür entsprechend geändert werden. Auch nach der Komplettsanierung müssen Beobachter also vor Ort verfolgen, wer bei Abstimmungen anwesend ist, aufsteht (als Pro-Stimme) oder ablehnend sitzen bleibt. Technisch sei eine Nachrüstung aber leicht möglich, heißt es im Parlament, die Kabel dafür seien verlegt.

Kassasturz Ende 2023

Besonders gut beobachten können Besucherinnen und Besucher die Abgeordneten von einer neuen, verglasten Galerie namens Plenarium. Sie ist im Rahmen von Führungen zugänglich und wurde direkt unter der Glaskuppel im Nationalratssaal eingezogen.

Das Plenarium direkt unter der Kuppel ist mit schalldichtem Glas vom Nationalratssaal abgegrenzt – und kann daher auch während Sitzungen besucht werden.
Foto: Heribert Corn

Diese Kuppel ist das Highlight des Umbaus. Sie hat einen Durchmesser von 28 Metern und eine Fläche von 550 Quadratmetern. Die Glaspaneele sind elektrochrom – ihre Lichtdurchlässigkeit kann gesteuert werden. Symbolisch steht die Kuppel für eine Öffnung des Parlaments nach außen, was einer der großen Ansprüche des Umbaus ist.

Weitere Neuerungen für Gäste sind vier Terrassen und das 1.500 Quadratmeter große Besucherzentrum im Erdgeschoß, das eine Ausstellung beherbergt. Weil aufgrund von neuen Einrichtungen wie diesen mit mehr Publikum gerechnet wird, wurde auch das Sicherheitspersonal aufgestockt, sagt Wintoniak. Genaue Zahlen könne er nicht nennen, aber mehr Besucherinnen und Besucher würden eben auch mehr Kontrolle erfordern.

Das neue Besucherzentrum im Erdgeschoß trägt den Namen "Demokratium".
Foto: Heribert Corn

Wie viel all das letztlich kostet, steht noch nicht fest. Eine finale Abrechnung soll Ende nächsten Jahres vorliegen, sagt Harald Wagner von der Bundesimmobiliengesellschaft. Per Gesetz wurden das Budget 2014 mit 352,2 Millionen Euro sowie 51,4 Millionen Euro für das Ausweichquartier festgelegt, jeweils samt 20-prozentiger Reserve. Diese wurde 2020 auch aktiviert. Nach Parlamentsangaben besteht weiterhin ein finanzielles Restrisiko von zwei bis drei Prozent – verantwortlich dafür seien die jüngsten Preissteigerungen.

Ungewisse Zukunft des Heldenplatzes

Umzugskartons sind während des Rundgangs keine zu erblicken – wohl auch deshalb, weil die Übersiedlung zumindest für den parlamentarischen Betrieb bereits so gut wie abgeschlossen ist. Zu tun gibt es aber noch genug: Insgesamt steht der Umzug bei der Hälfte – vor allem die Unterbringung von Bibliothek und Archiv wird noch über den Jänner hinaus andauern.

Im historischen Sitzungssaal wird Alexander Van der Bellen Ende Jänner als Bundespräsident angelobt.
Foto: Heribert Corn

Mit der Wiederbelebung des alten Parlaments sind die Tage des Ausweichquartiers auf dem Heldenplatz bzw. im Bibliothekshof und in der Hofburg gezählt. Die drei dafür errichteten Pavillons werden nächstes Jahr abgetragen, sie können aufgrund der modularen Bauweise wiederverwendet werden. Konkrete Projekte werden derzeit geprüft, heißt es aus der Parlamentsdirektion.

Was den Heldenplatz angeht, bahnt sich angesichts des bevorstehenden Abzugs der Pavillons eine Debatte über die künftige Nutzung der Fläche an. Die Ideen reichen von Begrünung, Streichen der Parkplätze bis hin zur Errichtung eines Denkmals. Aus der Burghauptmannschaft, ihres Zeichens Verwalterin des Platzes, heißt es zum STANDARD, dass eine Veränderung jedenfalls einer öffentlichen Diskussion bedürfe.

Im Jänner sind die Bauzäune vor dem Parlament passé.
Foto: Heribert Corn

Die Burghauptmannschaft übernehme "gerne die damit verbundenen Koordinierungsaufgaben". Ein Austausch mit allen Stakeholdern am Platz sei jedenfalls unerlässlich, betont Burghauptmann Reinhold Sahl. Wann der Diskussionsprozess abgeschlossen sein könnte, sei aus heutiger Sicht nicht terminisierbar. (Stefanie Rachbauer, 28.11.2022)