Das Foto zweier Fans stammt von Juni 1998: Beim Match bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich schlug der Iran die USA. Die iranische Mannschaft wurde vom Regime schwer unter Druck gesetzt.

Foto: APA/AP Photo/Jerome Delay

Alle islamistischen Regime sind auf Sex und somit auf Frauen fixiert – was sie ja mit Fundis jeder Religion gemeinsam haben, nur regieren die in der Gegenwart keine geopolitisch gewichtigen Staaten wie den Iran. In der Islamischen Republik hat die Führung aber noch eine Fixierung, die hinter der ersten nicht zurücksteht: auf den Feind Nummer eins, den großen Satan, die USA.

Keine politische Äußerung des Regimes, in der die USA nicht vorkommen: Am Wochenende etwa ließ sich der geistliche Führer Ali Khamenei in einer Rede vor den Basij-Milizen – das sind jene, die die Drecksarbeit auf den Straßen machen und Protestierende niederknüppeln – darüber aus, wie sinnlos es sei, mit den USA zu verhandeln. Sie würden immer mehr verlangen, "Lösegeld" ohne Ende.

Am Dienstagabend spielen die Nationalmannschaften beider Länder gegeneinander bei der Weltmeisterschaft in Katar (21 Uhr/ServusTV). Nun ist das Team Melli ja nicht automatisch als Vertreter des iranischen Regimes einzustufen. Auch wenn sich viele Iraner und Iranerinnen von den Spielern einen deutlicheren Protest gegen das, was soeben im Iran passiert, gewünscht hätten, so war den Fußballern doch anzusehen, unter welchem Druck sie standen, als sie vor ihrem zweiten Match doch noch die Lippen zur iranischen Hymne bewegten. Heute werden sie von Teheran aus mit Argusaugen beobachtet, wie freundlich sie mit ihren US-Kollegen umgehen.

2:1 Lyon 1998

Fußball, WM, Iran – USA, da gibt es historische Erinnerungen. Im Juni 1998 schossen die Iraner die Amerikaner in Lyon mit 2:1 aus dem Rennen. Später gab es Berichte über den ungeheuren Druck auf die iranische Mannschaft, Strafandrohungen, falls sie die USA nicht besiegen würden. Nach dem Spiel befand sich der Iran im Freudentaumel.

Zuvor hatte Khamenei noch gedroht, die Iraner von der Weltmeisterschaft abzuziehen, als ein paar Tage vor dem Match in Frankreich die Verfilmung des Romans Nicht ohne meine Tochter anlief. Das Händeschütteln mit dem Gegner wurde den Spielern explizit verboten. Es gab jedoch ein Gruppenfoto, die Überreichung weißer Rosen und die Verbrüderung von Fans vor Ort (siehe Foto).

Die Erinnerung an die Umstände des Bruchs zwischen Iran und USA – 1980 wurden die diplomatischen Beziehungen eingestellt – war zwar 1998 noch frischer als heute. Es war aber gleichzeitig das erste Jahr der Präsidentschaft von Mohammed Khatami, der erst einmal für etwas mehr Atemluft in ein paar gesellschaftlichen Bereichen sorgte. Heute dominieren diejenigen die Politik, für die die Beziehung zu den USA eine Verletzung der Werte der Islamischen Revolution von 1979 darstellt.

Die Feindschaft gegen die USA gehört zur Identität der Islamischen Republik. Aber da gibt es auch das Prinzip der "Maslaha", der Nützlichkeit von Politik für das Land: ein gewisser Spielraum für Pragmatismus. So wurden die iranischen Atomverhandlungen unter anderem mit den USA möglich, die die iranische Führung mit dem Ziel rechtfertigte, Wirtschaftssanktionen loszuwerden. 2009 ließ Khamenei wissen, dass die unterschiedlichen "Interessen" zwischen USA und Iran das Problem seien. Im Umkehrschluss: nicht die Ideologie.

Was jetzt passiert, scheint dennoch eine logische Konsequenz der Geschichte. Das westliche Narrativ über die Islamische Republik ist klar: Am 1. Februar 1979 kehrt Ayatollah Ruhollah Khomeini aus dem Exil zurück, der US-verbündete, gesellschaftlich moderne Schah wird gestürzt. Es regiert fortan das Mittelalter. Die Sicht von der Region aus ist etwas komplizierter. In ihr spielt es eine Rolle, dass Khomeini aus Frankreich, also aus einem westlichen Land, kam.

Khomeini kam aus Paris

Der Westen hätte rasch verstanden, so der Glaube, dass der Schah nicht zu halten war. Also hätte man auf den Islamisten Khomeini gesetzt. Es war 1979 und Kalter Krieg. Da waren Islamisten noch besser als Kommunisten. Und hatten der britische und der US-Geheimdienst nicht 1953 den demokratisch gewählten Premier Mossadeq gestürzt, weil der die Anglo-Persian Oil Company verstaatlichte? Wo war da die Liebe zur Demokratie?

Sollte es jemals in Washington den Wunsch nach "normalen" Beziehungen zu den Mullahs gegeben haben, so war es jedenfalls bald damit vorbei. Im November 1979 stürmten radikale Studenten die US-Botschaft in Teheran und nahmen 52 Geiseln, die erst nach 444 Tagen, im Jänner 1981, freikamen.

Inzwischen hatte der Iraker Saddam Hussein den Iran überfallen, die USA unterstützten ihn mit Wirtschaftshilfe und Logistik – kurzzeitig gab es in der Iran-Contra-Affäre auch Waffen von den USA für Teheran, um sieben von der Hisbollah im Libanon festgehaltene Geiseln zu befreien. Am Ende des Krieges standen geschätzt eine Million Tote im Iran und eine halbe im Irak.

Als die USA nach 9/11 die Taliban in Afghanistan und 2003 Saddam Hussein im Irak stürzten – beides zum politischen Nutzen Teherans –, öffnete sich aus der iranischen Sicht ein Fenster: Präsident George W. Bush ließ zu einem von den Schweizern überbrachten Normalisierungsplan wissen, dass er nicht interessiert sei. Nach dem Ende der Präsidentschaft des Krawallbruders Mahmud Ahmadinejad nahm in den USA Barack Obama wieder den Faden auf. Das führte zum Atomdeal 2015, den Obamas Nachfolger Donald Trump 2018 zu Fall brachte. Alle Versuche, den Absturz wieder aufzuhalten, sind gescheitert. (Gudrun Harrer, 29.11.2022)

Ausgangslage:

  • Der IRAN erreicht das Achtelfinale ...

... bei einem Sieg gegen die USA

... bei einem Remis gegen die USA, wenn gleichzeitig Wales nicht gegen England gewinnt

  • Die USA erreichen das Achtelfinale ...

... bei einem Sieg gegen den Iran

Gruppe B – 3. Runde:
Iran – USA (Doha, Al Thumama Stadium, 20 Uhr, live Servus TV, SR Antonio Mateu Lahoz (ESP)

Iran: 24 S. Hosseini – 23 Rezaeian, 8 Pouraliganji, 19 M. Hosseini, 5 Mohammadi – 21 Noorollahi, 6 Ezatolahi, 3 Hajsafi, 17 Gholizadeh – 20 Azmoun, 9 Taremi

Ersatz: 1 Beiranvand, 12 Niazmand, 22 Abedzadeh – 2 Moharrami, 4 Khalilzadeh, 13 Kanaanizadegan, 15 Cheshmi, 25 Jalali – 11 Amiri, 14 Ghoddos, 16 Torabi, 18 Karimi – 10 Ansarifard

Es fehlt: 7 Jahanbakhsh (gesperrt)

USA: 1 Turner – 2 Dest, 3 Zimmermann, 13 Ream, 5 Robinson – 8 McKennie, 4 Adams, 6 Musah – 7 Reyna, 10 Pulisic – 21 Weah

Ersatz: 12 Horvath, 25 Johnson – 15 Long, 18 Moore, 20 Carter-Vickers, 22 Yedlin, 26 Scally, 11 Aaronson, 14 De la Torre, 17 Roldan, 23 Acosta, 19 Wright, 9 Ferreira, 16 Morris, 24 Sargent