Noch gibt es eine, wenn auch kleine Chance, dass das Vorweihnachtsgeschäft im Handel nicht auch durch Streikmaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen wird. Heute, Dienstag, kommen die Verhandlungsteams von Gewerkschaft und Arbeitgebern zum fünften Mal zusammen, um über die Gehälter der rund 430.000 Angestellten und Lehrlinge im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel zu entscheiden. Einigt man sich neuerlich nicht, wird gestreikt.
Die Streikfreigabe hat die Gewerkschaft vom ÖGB bereist eingeholt, und zwar für das kommende zweite Adventwochenende. Freitag und Samstag könnte in einzelnen Handelsbetrieben punktuell und zeitlich befristet die Arbeit niedergelegt werden.
Mindestens 200 Euro brutto mehr
Die Gewerkschaft fordert ein Lohnplus von 8,5 Prozent bzw. mindestens 200 Euro brutto mehr. Die Arbeitgeber bieten eine Gehaltserhöhung von fünf Prozent sowie eine Einmalzahlung von drei Prozent. Rainer Trefelik, Chefverhandler der Arbeitgeber, spricht daher von einem Plus von insgesamt acht Prozent. Die Gewerkschaft sieht das anders. Sie spricht von einer "Mogelpackung" und will statt der angebotenen Einmalzahlung einen nachhaltig höheren Abschluss durchsetzen.
Um einen Warnstreik noch abzubiegen, müssten sich die Arbeitgeber am Dienstag bewegen, stellte GPA-Chefverhandlerin Helga Fichtinger am Montag im Ö1-Mittagsjournal noch einmal unmissverständlich klar.
Ein bis zwei Stunden Streik möglich
Wie muss man sich die Warnstreiks vorstellen? Anders als im Schienenverkehr, wo zu Wochenbeginn zu einem 24-stündigen Warnstreik aufgerufen wurde, würden im Handel Betriebe punktuell und nicht ganztägig bestreikt. GPA-Chefverhandlerin Fichtinger spricht von größenordnungsmäßig "ein bis zwei Stunden". Beschäftigte von mehr als 300 Betrieben – auch aus der Lebensmittelbranche – würden daran teilnehmen.
Trefelik scheint davon nicht sonderlich beeindruckt zu sein: "Wir haben 43.000 Arbeitgeberbetriebe im Handel und 80.000 Handelsbetriebe grundsätzlich, es ist eine ganz andere Situation als bei den Eisenbahnern, die das ganze Land quasi mitnehmen."
Weitere Maßnahmen möglich
Als Richtschnur für die laufenden Verhandlungen dient eine Inflationsrate von 6,9 Prozent. Der Arbeiterkammer zufolge haben viele Konzerne in den vergangenen Jahren sehr gut verdient. Die Gewerkschaft hat dabei vor allem große Lebensmittelketten im Auge, auf deren Gehaltszettel nahezu jeder dritte Handelsangestellte steht. Aus Sicht der Arbeitgeber wächst der Druck auf die Branche seit Corona stark. Von multiplen Krisen ist die Rede, die den Handel zunehmend auszehrten.
Ein Warnstreik sei zwar unangenehm, aber verkraftbar, hört man im Handel. Fichtinger hat aber bereits anklingen lassen, dass der Warnstreik nicht das Ende der möglichen Kampfmaßnahmen sei, sondern lediglich ein erster Warnschuss. (Günther Strobl, 29.11.2022)