Das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Niederösterreich beherbergt derzeit knapp 2000 Menschen. 4000 bis 5000 Plätze müssten in den Bundesländern geschaffen werden.

Foto: Regine Hendrich

Wie Umfragen den Takt in der Politik bestimmen, zeigt aktuell das Thema Asyl: Zuerst rückte die FPÖ ohne wirkliches Zutun mit ihrer bekannten Anti-Asyl-Haltung in Umfragen zur SPÖ auf. Dann preschte Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) mit einer Umfrage vor, wonach die SPÖ mit dem "burgenländischen Weg" besser abschneiden würde. Das wiederum rief SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner auf den Plan, die nun verstärkt den EU-Außengrenzschutz einmahnt. Die "Naivität ein Stück weit ablegen" will auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, wie sie am Sonntag in der "ZiB 2" wissen ließ. Sie alle scheinen sich also darauf verständigt zu haben, dass es mit bald 100.000 Asylanträgen im Jahr 2022 zu viele davon gibt. Weil das Gros der Menschen weiterzieht, sind nur 20.000 im sozialen Netz der Grundversorgung registriert.

500 Menschen von Ländern übernommen

Was beim politischen Richtungsschwenk jedoch völlig unter den Tisch fällt, ist die Situation jener Asylwerber, die derzeit in Österreich ankommen und in Bundesquartiere gepfercht auf die Überstellung in Länderquartiere warten. Was hat sich seit dem Aufstellen der Zelte im Oktober getan? Und wie beurteilen Expertinnen und Experten die derzeitige Situation?

Fest steht, dass seit vergangenem Donnerstag keine Menschen mehr in Zelten schlafen müssen. In Kärnten wurde das letzte Zeltquartier am Donnerstag geräumt; die bis dahin untergebrachten Asylwerber seien in feste Bundesquartiere überstellt worden, sagt BBU-Sprecher Thomas Fussenegger. Auch bei den Ländern hätte sich etwas in Bewegung gesetzt: 500 Menschen seien aus den Bundesquartieren übernommen worden, sagt Fussenegger. Ausreichen dürfte das aber nicht: "Eigentlich bräuchten wir pro Woche 700 Überstellungen in die Länder."

Saisonaler Effekt

Wie verhält es sich bei den Neuankünften? Hier spricht Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination von einem eintretenden "Knick", der auf den saisonalen Effekt zurückzuführen sei. Die Zahl der Ankommenden sei vergangene Woche signifikant zurückgegangen, "was angesichts der Temperaturen zu erwarten war". Auf STANDARD-Nachfrage bestätigt auch das Innenministerium "einen Rückgang auf hohem Niveau". Ob sich dieser Trend auch wirklich fortsetzt, sei jedoch noch nicht absehbar. Was jedenfalls nicht passieren dürfe: "Dass die Länder die Hände in den Schoß legen. Das System ist nach wie vor am Anschlag", sagt Gahleitner-Gertz.

Noch immer bräuchte es 4.000 bis 5.000 Plätze in der Landesgrundversorgung. Und hier seien jene Ukrainerinnen, die noch im Winter flüchten könnten, gar nicht eingerechnet. "Wir können nur hoffen, dass es nicht zu einem Anstieg kommt."

Tagsatzerhöhung ausständig

Ähnlich sieht es auch Christoph Riedl von der Diakonie. "Wir brauchen jetzt Sofortmaßnahmen", sagt er und spricht damit die beschlossenen Tagsatzerhöhungen an – die aber noch in fünf Ländern einer Umsetzung harren. Ohne Teuerungsausgleich für Quartieranbieter könne man sich den laufenden Betrieb nicht mehr leisten, "von neue Quartiere schaffen kann da keine Rede sein".

Angespannt ist auch die Lage an jenem Ort, der das Systemversagen bei der Flüchtlingsunterbringung wie kein zweiter veranschaulicht: dem Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Dass dorthin weiter Flüchtlinge geschickt werden, obwohl dieses schon aus allen Nähten platze, dahinter vermutet Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) "politisches Kalkül". Gleichzeitig fehle es auch am Nötigsten, ließ Babler letzte Woche in der "ZiB 2" wissen. Diese Worte lösten Unterschiedliches aus: Während laut freiwilligen Helfern scharenweise Spenden wie Kinderwägen ankamen, marschierten am Freitag vermummte Rechtsextreme mit Pyrotechnik auf. (Elisa Tomaselli, 28.11.2022)