Ist es legitim, für so hohe Gehaltsforderungen, wie die Eisenbahner sie aktuell stellen, zu streiken und den Bahnverkehr im ganzen Land lahmzulegen: Diese Frage wird gerade hitzig diskutiert. Doch allein die Debatte offenbart, dass für Beschäftigte einerseits und Unternehmen sowie Manager andererseits im Diskurs mitunter andere Spielregeln zu gelten scheinen.

Der Hauptbahnhof in Wien am Montagfrüh.
Foto: Christian Fischer

Viele Betriebe haben in den vergangenen Monaten ihre Preise deshalb so stark angehoben, weil sie es im Umfeld der allgemein hohen Teuerung tun konnten, ohne Marktanteile zu verlieren. Andere Unternehmen haben ihr Verhalten geändert, um von der Inflation zu profitieren. Holzhändler zum Beispiel hielten ihrer Ware zurück, um an den steigenden Preisen zu verdienen. Ökonominnen und Ökonomen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass so ein Verhalten in der Marktwirtschaft kein moralisches Problem, sondern vernünftige Strategie ist.

Wenn Eigeninteresse rational ist....

Das gleiche Argument wird gern vorgebracht, wenn über die hohen Gagen der Top-Manager diskutiert wird. Wer gute Leute angesichts des internationalen Wettbewerbs um Spitzenkräfte bekommen will, müsse eben viel zahlen, lautet das Argument. Auch das sei keine moralische Frage, wird richtigerweise ausgeführt. Wer kann, setze seine ökonomischen Interessen durch.

Genau das versuchen nun die Bahnangestellten. Die Verkehrsgewerkschaft Vida verlangt eine 400-Euro-Lohnerhöhung was in unteren Lohngruppen ein Plus von über 20 Prozent bedeuten würde. Das ist natürlich viel; was sie bereit sind zu bezahlen, müssen allein die Arbeitgeber entscheiden.

...und wenn es zu Egoismus abgestempelt wird

Aber den Eisenbahnern lässt sich schwer vorhalten, dass sie versuchen, den Rückenwind, den sie aktuell zu spüren glauben, auszunutzen. Durch die grüne Wende wird die Rolle der Bahn weiter aufgewertet werden. Die Eisenbahn kann wegen der hohen Energiekosten nicht abwandern. Diese Drohkulisse können die Arbeitgeber also nicht aufbauen. Und auch der Wettbewerbsdruck bei der Bahn ist nicht vergleichbar mit jenem in der Industrie.

Natürlich werden die höheren Kosten fürs Personal letztlich von den Bürgerinnen und Bürgern geschultert werden, entweder über höhere Ticketpreise oder über höhere Steuern. Aber die eigenen Interessen zu verfolgen ist in einer Marktwirtschaft rational – und natürlich legitim. (András Szigetvari, 28.11.2022)