Bis zu zwei Wochen am Stück hängen Antragsteller um Mitternacht am Laptop, um einen Termin zu bekommen.

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Wenn Mandanten beim Linzer Rechtsanwalt Sebastian Siudak anrufen, haben sich diese bereits einige Nächte um die Ohren geschlagen – oder sie stehen kurz davor, erzählt er. "Ich sage ihnen, dass sie es zunächst selbst versuchen sollen. Es geht ja auch um Kosten."

Siudak beschäftigt sich in seiner Kanzlei nicht mit nächtlicher Kriminalität. Es geht um Staatsbürgerschaftsanträge. Und während österreichweit vielen die Staatsbürgerschaft aufgrund der generellen Hürden – etwa hohe Gehaltsvorgaben – verwehrt bleibt, scheitern seine Mandantinnen und Mandanten an Behördenwegen. Konkret schon am ersten Termin.

Keine freien Termine

Für jene, die Österreicher oder Österreicherin werden wollen, führt der erste Weg auf die Website der Landesregierung – in Oberösterreich die zuständige Stelle für Staatsbürgerschaftsanliegen. Täglich werden hier um Punkt 24 Uhr Termine für ein Beratungsgespräch freigeschaltet. Nur auf diese Weise gelangt man zum Antragsformular. Auch wenn nicht gesetzlich geregelt, verlangt die Behörde die Beratung vor dem eigentlichen Beantragen der Staatsbürgerschaft, erzählt Siudak. Das Problem dabei: Kaum eine Minute nach 24 Uhr sind wieder alle Termine vergriffen, wie auch ein STANDARD-Selbstversuch zeigt.

Das stößt auf Unverständnis bei dem Anwalt, der nach mehreren gescheiterten Versuchen seiner Mandanten auch selbst um Mitternacht zur Maus greift. Momentan vertritt er selbst 20 Mandanten, darunter "Syrer, die hervorragend integriert sind und alles richtig machen wollen". Bei einem hat es am Vorabend geklappt, einen Termin auszumachen, "da hatte ich einfach Glück". Bei einem anderen steht das Prozedere noch bevor: Dieser habe nach mehreren Wochen aufgegeben, weil er das ständige Aufbleiben nicht mehr mit seiner Arbeit in der Früh vereinbaren konnte.

Ungewollte Bürger?

All das müsste auch ohne anwaltliche Hilfe möglich sein, merkt Karin Schableger vom Verein Fairness Asyl an, die sich laut eigenen Angaben schon mehrmals diesen "Wettbewerb" für Personen angetan hat. Was dahinterstecken könnte? "Man will diese Anträge einfach nicht", glaubt Schableger.

Dafür sprechen für sie auch die Tücken bei der Beantragung, die auf die Beratung folgen. Sobald diese Hürde einmal geschafft ist – und die Personen das Antragsformular in der Hand haben –, müssen sie sich einen Antragstermin ausmachen. "Und jeder neue Termin bedeutet in der Regel wieder sechs Monate warten." In keinem anderen Rechtsbereich sei ihr ein Antragsprozedere in so einer Form bekannt, sagt die Juristin.

Schwierig sei außerdem, alle benötigten Dokumente aus dem Heimatland zu beschaffen. "Können sie nur eines nicht vorweisen, geht das Ganze wieder von vorne los." Eigentlich, sagt Anwalt Siudak, könnte hier die Behörde auch unterstützen und die Menschen auf Möglichkeiten wie den "Heilungsantrag" aufmerksam machen – also die Bestätigung, dass ein Dokument faktisch nicht beschaffbar ist. Das tue sie aber seinen Mandanten zufolge nicht.

Mehr Staatsbürgerschaftsanträge

Wird Österreichern in spe also der Weg zur Staatsbürgerschaft bewusst erschwert? Das Land verweist auf STANDARD-Nachfrage auf einen starken Anstieg bei den Anträgen. In den vergangenen Monaten wurde die Möglichkeit vermehrt von anerkannten Flüchtlingen in Anspruch genommen, "zumal diese schon seit 2015 ständig in Österreich leben" – und somit die zeitlichen Voraussetzungen erfüllen.

Auf die Frage, warum Menschen deswegen zum Aufbleiben gezwungen werden, verweist das Land auf eine Umstellung von telefonischer Terminvereinbarung auf die "Termin-App", die alles hätte vereinfachen sollen. Diese sei ständig nachjustiert worden. "Dennoch hat sich herausgestellt, dass die angebotenen Beratungstermine nicht ausreichen." Diese seien momentan 180 Tage im Voraus ausgebucht.

"Zwingend" seien die Gespräche jedenfalls nicht, sondern lediglich "Service und Voraussetzung für eine möglichst rasche Bearbeitung", heißt es vom Land. Warum denn Antragsteller bestätigen müssen, eine Beratung in Anspruch genommen zu haben, darauf erhielt der STANDARD keine Rückmeldung. Mehr Personal und eine Umstellung im System sollen jedenfalls künftig auch andere Formen der Terminvereinbarung ermöglichen, heißt es aus dem Büro. (Elisa Tomaselli, 30.11.2022)