Trotz höherer Beschäftigungszahl gibt es mehr offene Stellen als vor der Corona-Pandemie.

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Der Arbeitskräftemangel wird speziell im Tourismus zu einem immer drängenderen Problem, und er ist zumindest teilweise selbstverschuldet. Das zeigen Ergebnisse einer Studie, die das Institut für Soziologie der Universität Wien im Sommer gemeinsam mit der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ) durchgeführt hat. Noch immer gibt es demnach prekäre Beschäftigungsverhältnisse, schlechte Arbeitsbedingungen, einen enormen Zeit- und Arbeitsdruck, nicht existenzsichernde Entlohnung sowie Missachtung arbeitsrechtlicher Bestimmungen.

Insgesamt wurden für die Studie 32 qualitative Interviews mit Beschäftigten und ehemaligen Beschäftigten der Branche geführt. Elf Männer und 21 Frauen wurden zum Fachkräftemangel in Gastronomie und Hotellerie sowie zu ihren eigenen Erfahrungen befragt.

Keine einzelnen schwarzen Schafe

In den Interviews wurden immer dieselben Probleme erwähnt: zu niedriger Lohn, Ausbeutung, Perspektivenlosigkeit oder viele Überstunden. "Hier geht es nicht um einzelne schwarze Schafe, sondern um strukturelle Probleme der Branche", sagt der Präsident der AK OÖ, Andreas Stangl. Er fordert eine Neuausrichtung.

Überlange Arbeitszeiten, eine mangelnde fachliche Anleitung und der Eindruck, ausgenutzt zu werden, zeitigten Konsequenzen. Die Drop-out-Quote bei Lehrlingen etwa in der Gastronomie sei deutlich höher als im Branchendurchschnitt (27,5 Prozent), stellt die AK OÖ fest. Zwischen 2018 und 2020 betrug diese etwa bei Restaurantfachfrauen und -männern 51 Prozent, bei Köchinnen und Köchen 40,7 Prozent.

Die Löhne seien zu niedrig, oft würden sie nicht zuverlässig ausbezahlt, berichteten Teilnehmer der Studie. Außerdem sei die psychische und physische Arbeitsbelastung enorm. Beim Fachkräftemangel gehe es daher darum, Beschäftigte nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten, sagt Stangl.

Verschärfung durch Qualitätshotels

Zusätzlich verschärft wird die Situation durch Leitbetriebe, die besonders viele Fachkräfte abziehen. Die Luxushotellerie erlebe seit einigen Jahren einen großen Boom, sagt der Sprecher der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), Martin Stanits. Restaurant, Bar, Kosmetikbereich und Wellness: Insbesondere wegen der angebotenen Dienstleistungen in Vier- und Fünf-Sterne-Hotels werde zunehmend mehr ausgebildetes Personal benötigt, weiß Stanits.

Daten der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) dokumentieren das stetige Wachstum der Hotelbranche. So hat sich die Anzahl der Hotels in Österreich von 2019 (2.856 Betriebe) bis 2021 (3.144 Betriebe) um rund neun Prozent erhöht. Daten des Arbeitermarktservice (AMS) zeigen zudem, dass es am touristischen Arbeitsmarkt trotz höherer Beschäftigungszahl mehr offene Stellen als vor der Corona-Pandemie gibt. Im Oktober 2019 gab es bei 195.657 unselbstständig Beschäftigten 7.675 offene Stellen, heuer waren es bei 198.826 Beschäftigten 11.231 offene Stellen.

Zuspitzung in kleinen Orten

Besonders kritisch sei der Arbeitskräftemangel in kleineren Ortschaften, etwa in Skigebieten Westösterreichs, sagt Stanits. In Orten mit 1.200 bis 5.000 Einwohnern könne ein Qualitätshotel die mehreren Hundert benötigten Angestellten nicht ohne weiteres aus der unmittelbaren Umgebung rekrutieren.

Für den ÖHV-Sprecher sind die Qualitätshotels Haupttreiber des Fachkräftemangels. Zwar sei auch die Reduktion der Arbeitszeit von Angestellten ein Problem, das sei jedoch nicht ausschlaggebend. Stangl von der AK OÖ betont, dass es genug Interessierte in der Branche gebe. Die Arbeitsbedingungen sowie die Perspektivenlosigkeit sind seiner Ansicht nach die Hauptgründe, warum so viele Stellen unbesetzt bleiben. Durch eine Umstrukturierung der Branche müssten Jobs attraktiver gemacht werden. (Pauline Severin, 30.11.2022)