Es ist jene Art von besonders "beliebten" Briefen, die dieser Tage bei vielen Magenta-Kunden eintrudelt. Einmal mehr steht eine "nicht ausschließlich begünstigende Änderung der Vertragsbedingungen" an. Das Thema: Kabelfernsehen – und hier konkret eine Zwangsumstellung, die wohl nicht bei allen Betroffenen auf Begeisterung stoßen dürfte.

Wechsel

Wer bisher die "Entertain Box 4K" für das Kabelfernsehen von Magenta verwendet hat, der wird mit Anfang März 2023 automatisch auf ein neues Produkt umgestellt: das auf Streaming fokussierte "Magenta TV" sowie die zugehörige "Magenta-TV-Box" auf Basis von Googles Android TV. Wie es auf Nachfrage des STANDARD heißt, sind davon rund zehn Prozent der derzeit 395.000 Kabel-TV-Kunden von Magenta betroffen.

Eine neue Box und ein immer stärkerer Fokus auf Streaming. All das kommt nun bei sehr vielen Magenta-Kunden, ob sie es wollen oder nicht.
Grafik: Magenta

Zusätzliche Kosten entstehen diesen zwar nicht, doch während ähnliche Anpassungen in den vergangenen Jahren mit einem simplen Hardwaretausch oder leichten Veränderungen beim gebotenen Service erledigt waren, geht die aktuelle Umstellung mit signifikanten Einschnitten für die Betroffenen einher.

Alles neu

Einige davon führt Magenta in seinem Brief selbst aus. Da wäre zunächst, dass praktisch alle bisherigen Einstellungen verlorengehen. Ob persönliche Empfehlungen, bisherige und künftige Aufnahmen, favorisierte Kanäle oder eingerichtete Profile – all das ist nach der Umstellung weg. Auch ein vergebener PIN für den Kinderschutz oder den Kauf von Inhalten muss neu gesetzt werden.

Vor allem aber geht ein Teil der bisherigen Funktionalität komplett verloren. Dazu gehören die bereits erwähnten Profile, dieses Feature wurde ersatzlos gestrichen. Bei digitalem Radio wurden die Stingray-Musik-Kanäle entfernt. Auch Bedienungshilfen wie die vergrößerte Darstellung des TV-Programms gibt es mit der neuen Box nicht mehr.

Dann wäre da noch ein Punkt, den Magenta in dem Schreiben nicht anführt und den man erst bei einem Blick auf die Webseite findet: Künftig ist die Nutzung des Angebots nämlich auf den gleichzeitigen Einsatz auf vier Geräten beschränkt – dazu zählen neben Fernseher auch Smartphone, Tablet oder Laptop.

Streaming? Neu? Nicht wirklich

Eine weitere Änderung preist Magenta hingegen als Vorteil an: "Jeder Bildschirm ist nun ein Fernseher", wird auf die erwähnte Streaming-Nutzung auf anderen Geräten hingewiesen. Das Problem dabei: Das ist natürlich nicht neu, sondern ging schon bisher – und zwar sogar unter demselben Namen, also "Magenta TV". Was sich allerdings ändert: Aus dem alten Magenta TV wird nun ein neues Magenta TV – mit komplett neuem Nutzerkonto, einer anderen Webseite und neuer App.

Ratespiel: Welche Magenta-TV-App ist die richtige?
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Ganz neu ist diese Parallelität nicht, verkauft der Hersteller das neue Magenta TV doch bereits seit einigen Monaten an seine Neukunden. Nun sollen aber eben erstmals auch Bestandskunden wechseln. In Zukunft gibt es im Browser die Streams also auf tv.magenta.at statt wie bisher auf magentatv.at. Zudem gilt es die richtige, neue Android-App oder iOS-App aus den beiden verfügbaren Optionen herauszufinden. Qualitativ scheinen sich die beiden App-Generationen zumindest wenig zu schenken zu haben: Die Bewertung von jeweils 2,5 von fünf Punkten im Play Store ist nämlich genau gleich schlecht.

Zumindest in dieser Hinsicht hat Magenta auf Anfrage des STANDARD aber "gute" Nachrichten für die Nutzer: Die alte App soll nämlich parallel zum Ende der Entertain Box 4K ebenfalls eingestellt werden. Spätestens mit März 2023 soll sie also aus den App-Stores verschwinden.

Keine Unterstützung für andere Streaminggeräte

Aber noch wesentlich wichtiger: Die neue App ist derzeit im Unterschied zum gleichnamigen Vorgänger nur für iPhones und Android-Smartphones erhältlich. Es gibt also keine Version für Fire TV, keine für Apple TV, und auch andere Android-TV-Geräte – also jenseits von der Magenta-TV-Box selbst – werden nicht unterstützt. Bei den Smart-TV-Systemen von Samsung und LG tut sich ebenfalls nichts.

Auf dieses Defizit angesprochen, betont Magenta recht vage, dass man daran arbeite, die Verfügbarkeit der eigenen Apps auf mehr Plattformen auszudehnen – namentlich werden dabei Android TV, Apple TV und Fire TV genannt. Einen konkreten Zeitrahmen will man allerdings nicht nennen.

Achtung: Einbahnstraße

Für Bestandskunden könnte die Umstellung auf die neue Box also mit einer unerfreulichen Überraschung einhergehen. Immerhin stellt es einen signifikanten Funktionsverlust dar, wenn nach der Umstellung auf das neue System plötzlich Magenta TV auf den gewohnten Streaminggeräten anderer Hersteller nicht mehr nutzbar ist.

Dazu kommt, dass diese Umstellung eine Einbahnstraße ist. Einmal angestoßen, gibt es keinen Weg zurück. Weder die Verwendung der alten Kabel-TV-Boxen noch des erwähnten alten Streamingdienstes und seiner zugehörigen Apps erlaubt Magenta anschließend.

Die neue Box

Bleibt für die Nutzung im Zusammenspiel mit dem eigenen Fernseher eigentlich nur mehr der Griff zur neuen Magenta-TV-Box. Das Problem dabei: Diese trifft in den vergangenen Monaten auf eine geradezu vernichtende Kritik. Ob im Community-Forum von Magenta selbst oder auch bei LTEForum.at ist die Zahl der Beschwerden groß.

Von unmotiviert das Programm unterbrechenden Fehlermeldungen über Aussetzer oder komplette Abstürze bis hin zu längeren Hängern ist da die Rede. Viele der Nutzer dieser Box klagen zudem über eine reduzierte Bildqualität sowie über große Lautstärkenunterschiede zwischen einzelnen Kanälen. Auch die Performance des Geräts wird in großer Zahl mit wenig schmeichelhaften Worten bedacht.

Magenta sieht die Probleme gelöst, aber kein Netflix

Bei Magenta sieht man dies anders. Zwar habe es zum Start der Magenta-TV-Box tatsächlich einige Softwaredefizite gegeben, diese seien dank mehrerer Updates aber mittlerweile ausgeräumt worden. Was hingegen weiter ein Problem bleibt: Im Gegensatz zu echten Android-TV-Geräten lässt sich auf der Magenta-TV-Box kein Netflix nutzen. Das bestätigt Magenta, verweist aber auf laufende Verhandlungen mit dem Streaminganbieter. Alleine schon deswegen dürfe diese Box derzeit als zentrales Streaminggerät für viele ausscheiden.

All das wirft natürlich die Frage auf, warum langfristig gesehen überhaupt wer die Magenta-TV-Box nutzen sollte, wenn man genauso gut ein vernünftiges Streaminggerät von einem in Hinblick auf die Softwareentwicklung etwas erfahreneren Unternehmen wie Apple, Google oder Amazon kaufen kann – also zumindest wenn es für diese dann einmal die neue Magenta-TV-App gibt.

DVB-C bleibt

Gegenüber anderen Streaminggeräten hat die Magenta-TV-Box allerdings einen entscheidenden Vorteil: Man kann parallel zum Streaming von Inhalten auch das klassische DVB-C-Angebot – also Kabelfernsehen im klassischen Sinne – nutzen. Dieses bietet nicht nur oft eine bessere Qualität, diese Art der Übertragung geht im Gegensatz zu Streaming auch nicht auf die restliche Internetbandbreite.

Auf Nachfrage versichert Magenta, dass die DVB-C-Option erhalten bleiben soll – auch wenn Streaming die Zukunft darstelle, wie man gleichzeitig betont. Ließen sich doch "einige moderne Features wie Replay, Cloud Recording etc. nur über IP-Streaming umsetzen". Insofern seien "dem TV-Angebot über DVB-C technische Grenzen gesetzt".

Box wird optional und kostenpflichtig

Gleichzeitig deutet sich aber schon hier an, dass Magenta in Zukunft einen geringeren Fokus auf eigene Hardware legen will. So wird die neue Magenta-TV-Box auch gar nicht mehr automatisch an die Nutzer geschickt, wer sie haben will, muss sie explizit anfordern. Und während die neue Box für Bestandskunden im Rahmen der aktuellen Umstellung kostenlos ist, ist das bei Neukunden nicht mehr der Fall. Zwei Euro pro Monat muss zahlen, wer die Magenta-TV-Box beim Abschluss eines neuen Vertrages dazu haben will, jedes weitere Exemplar kostet dann noch einmal so viel.

Die neue Magenta-TV-Webseite.
Screenshot: STANDARD

Generell verweist Magenta darauf, dass der Großteil der eigenen Kunden derzeit noch ältere Kabel-TV-Boxen im Einsatz hat, darunter etwa die Horizon-Box, die Pace-HD-Box oder auch die Cisco-HDDVR-Box. Solange diese funktionstüchtig sind, sollen sie auch weiter unterstützt werden, ein Zwangsumstieg sei für diese Kunden derzeit nicht geplant.

Ein schleichender Abgang

Allerdings ist auch hier der Weg vorgezeichnet. Zwar versichert Magenta, dass man noch einen gewissen Bestand an Altgeräten habe, der bei Problemen mit diesen Boxen herausgegeben werden kann, dieser ist aber natürlich begrenzt. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis bei Problemen mit der alten Hardware nur mehr die neue Magenta-TV- Box zur Verfügung steht.

Genau genommen ist das auch jetzt schon die einzige Option, die von Haus aus angeboten wird, alte Boxen gibt es nämlich nur auf expliziten Wunsch. Das sollten Magenta-Kabel-Kunden künftig im Kopf haben, gilt doch erneut: Wer einmal die neue Magenta-TV-Box angenommen und angeschlossen hat, kann nicht mehr auf ältere Hardware zurückwechseln.

Datenschutz

Der Umstieg auf die neue Box hat für die Betroffenen übrigens noch andere Auswirkungen – und zwar aus einer Datenschutzperspektive. Wie Magenta in einem Detaildokument offenbart, lässt sich die neue Hardware generell nur nutzen, wenn man den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzerklärung von Google zustimmt.

An sich darf das nicht verwundern, immerhin handelt es sich dabei um ein Android-TV-Gerät, trotzdem dürfte das nicht allen gefallen. Den vollen Funktionsumfang – also samt Zugriff auf Apps – gibt es ohnehin nur, wenn man sich in ein Google-Konto einloggt. Auf Nachfrage bestätigt Magenta all das, versichert aber, dass es sich um ein "rundum sicheres Produkt" handle und ähnliche Nutzungsbedingungen bei anderen Betriebssystemen ebenfalls üblich seien.

Sonderkündigungsrecht

Wem all das nicht gefällt, dem bleibt als bisherigem Nutzer der Entertain Box 4K eigentlich nur eine Option: das vom Hersteller angebotene Sonderkündigungsrecht wahrzunehmen. Die Möglichkeit, auf ein anderes Kabelfernsehprodukt zurückzuwechseln, gibt es nicht mehr, ein Einspruch gegen Teile der neuen Regeln ist ebenfalls nicht möglich. Magenta betont auf Rückfrage, dass man in diesem Fall besonderen Wert auf einen korrekten Ablauf gelegt habe und diese geplanten Änderungen bereits vorab den Regulierungsbehörden (RTR und Komm Austria) gemeldet wurden.

Wer hingegen jetzt schon auf das neue System wechseln will, der kann das über einen eigenen "TV-Assistenten" tun, sollte sich aber der oben erwähnten Konsequenzen bewusst sein. Geht das doch mit einer kompletten Neuregistrierung des Nutzerkontos einher – warum es eigentlich auch nicht verwundern darf, dass sämtliche bisherigen Einstellungen verlorengehen.

Motivsuche

Bei all dem bleibt eine zentrale Frage offen: Warum das Ganze und wieso jetzt in so einem doch recht kurzen Zeitrahmen und unter den Vorzeichen, dass die neue Lösung noch nicht ganz fertig wirkt? Auf Anfrage des STANDARD gewährt Magenta einen kleinen Einblick in Interna – und diese verweisen auf Spätfolgen der UPC-Übernahme.

"Im Zuge des Zusammenschlusses von T-Mobile und UPC wurden im Hintergrund – für den Kunden unbemerkt – einige alte Systeme abgedreht. Auch im Entertainment-Bereich musste Magenta eine neue Infrastruktur aufbauen, weil Teile der alten Infrastruktur nicht mehr verwendet werden können oder nicht mehr ausreichend gewartet wurden. Betroffen ist hier vor allem die Entertain Box 4K, weshalb eine Ablöse dieses Produktes vonnöten ist", heißt es in einer Stellungnahme. (Andreas Proschofsky, 30.11.2022)