Im Gastblog schreibt Lisa-Maria Riedl über die rechtlichen Fragen, die mit der Entwicklung des Metaverse einhergehen.

Mit der Entscheidung, eines der größten Internetimperien unserer Zeit in Meta umzubenennen, hat CEO und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mehr als deutlich gezeigt, in welche Richtung er gedenkt, das Unternehmen zu lenken. Zuckerbergs Angaben zufolge findet sich der Ursprung des neuen Namens zwar im Griechischen ("Meta" für "jenseits"), ob dabei aber nicht auch der Begriff des "Metaverse", der von Autor Neal Stephenson und seinem im Jahr 1992 publizierten Science-Fiction-Roman "Snow Crash" geprägt wurde, eine entscheidende Rolle gespielt hat, kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Parallelen wären jedenfalls denkbar – und auch naheliegend, denn das Konzept des Metaverse erfreut sich seit einigen Jahren immer größer werdenden öffentlichen Interesses. Doch was ist das Metaverse?

Was das Metaverse ist

Viele kennen Versionen dieses Konzepts aus Filmen wie "Matrix," "Tron" und dem im Jahr 2018 erschienenen "Ready Player One" oder diversen Videospielen wie "Second Life" und "Fortnite". Doch was das Metaverse ist, ist überraschend schwer zu definieren. Die große Mehrheit sieht darin ein digitales Universum, verbunden mit unserem chemiebasierten Universum, also eine Welt jenseits der uns bekannten physischen Welt. Das, was im realen Universum als Chemie fungiert, sind im Metaverse unzählige interoperable Verbindungen von Daten, Unternehmen, Dienstleistungen, Technologien, Netzwerken und vielem mehr. Matthew Ball versuchte sich erstmals 2018 an einer Definition des Metaverse und beschrieb in seinem Artikel "The Metaverse: What It Is, Where to Find it, and Who Will Build It" Kriterien, die das Metaverse ausmachen sollen, und Dinge, die dem Metaverse ähneln, aber nicht das Metaverses sind. In einem weiteren Artikel "The Framework of the Metaverse" im Jahr 2021 ging Ball einen Schritt weiter und definierte es als ein Netzwerk umfassend interoperabler virtueller Welten, das beständig, synchron und in Echtzeit arbeitet und keiner beschränkten Anzahl von Nutzerinnen und Nutzern unterliegt.

Mark Zuckerberg will ein Metaverse kreieren. Doch wie soll dieses rechtlich geregelt werden?
Foto: IMAGO/Cover-Images

Das Metaverse beinhaltet eine funktionierende Wirtschaft, in der alle ein breites Spektrum an Arbeit verrichten können, die dann mit einem "Wert" entlohnt wird, den User und Userinnen weltenübergreifend – das inkludiert auch die reale Welt – frei verwenden können. Das ist auch das, was das Metaverse für Unternehmen attraktiv macht. Das Metaverse besteht aus Inhalten und ist dabei nicht darauf angewiesen, dass nur bestimmte kommerzielle Provider Inhalte produzieren. Inhalte können von einem breiten Publikum beigetragen – programmiert und eingestellt – werden.

Was das Metaverse nicht ist

Das Metaverse ist keine "virtuelle Welt" im Sinne von virtuellen Welten mit KI-basierten Charakteren, wie man sie aus Videospielen kennt. Diese Welten werden kreiert, um einem bestimmten Zweck dienlich zu sein. Das Metaverse hingegen hat per se nicht "einen Zweck", sondern viele. Es ist immer das, was die Nutzenden in ihm erleben wollen. Das Metaverse ist kein "virtueller Raum" im Sinne einer Ansammlung von digitalen Inhalten, wie es beispielsweise im Videospiel "Second Life" der Fall ist. Solche virtuellen Räume erfüllen jedoch sehr viele der Metaverse-Kriterien, weswegen sie auch "Proto-Metaverses" genannt werden.

Das Metaverse ist weiters auch keine "virtuelle Realität". Virtuelle Realität ist ein "Wie" und kein "Was". Unter ihr versteht man eine Art und Weise, virtuelle Welten oder virtuelle Räume wahrzunehmen. Das Metaverse hingegen ist ein "Was", das aber durch virtuelle Realität erlebt werden kann.

Es ist auch in diesem Sinne kein "Videospiel", da Videospiele ähnlich der virtuellen Welt nur beschränkten Zwecken zugeführt werden und darüber hinaus benutzerbeschränkt sind. Betrachtet man die oben dargelegte Kriterien und vergleicht sie mit den bereits erwähnten Videospielen, kann man feststellen, dass "Fortnite" mit seinen gemischten IPs, den konsistent-weltenübergreifenden virtuellen Identitäten (Avatare), der Möglichkeit, tausenden Events beitreten zu können und als Spieler selbst Inhalte zu generieren, die bei Bedarf auch vermarktet werden können, dem Metaverse wohl am nächsten kommt. Ein reines Videospiel könnte aber nie das Ausmaß eines Metaverse erreichen, weshalb das Metaverse kein Spiel sein kann. Ein Spiel kann dennoch einen Teil des Metaverse darstellen.

In den Kinderschuhen

Das Metaverse steckt noch in den Kinderschuhen. Das hat viele Gründe, aber vor allem liegt es daran, dass es der gegenwärtige Stand der Technik noch nicht ermöglicht, Welten zu schaffen, auf die von einer unbeschränkten Anzahl von Personen leicht zugegriffen werden kann. Es mangelt dafür an Leistungskapazitäten der Server und auch am Interesse der Menschen. Weiters sträuben sich die großen Internetriesen (Meta, Google, Apple) und viele Unternehmen der Videospieleindustrie, sich auf ein System von interoperablen Daten, Funktionen und Avataren einzulassen, da Plattformenexklusivität ihre wirtschaftliche Stellung sichert. Dies wird sich vielleicht nach Inkrafttreten des europäischen Digitalrechtspakets ändern, da sowohl der darin enthaltene Digital Services Act (DSA) als auch der Digital Markets Act (DMA) gleichermaßen Interoperabilität fordern. Bei DSA und DMA handelt es sich um in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union unmittelbar anwendbare Verordnungen einerseits zu Förderung von Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit im Binnenmarkt mit besonderem Fokus auf einen besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher und ihrer Grundrechte im Internet sowie der Schaffung eines höheren Maßes an Transparenz und Verantwortlichkeit der Onlineplattformen (DSA) und andererseits zur Förderung von Fairness und gleichen Wettbewerbsbedingungen auf den europäischen Digitalmärkten (DMA).

Wann das Metaverse als solches in Erscheinung tritt, ist ungewiss. Einige Jahre wird es bestimmt noch dauern. Wenn es so weit ist, wird sein Entstehen nicht spontan und unmittelbar sein. Das Metaverse wird keinen klaren Anfang und kein klares Ende haben. Es wird langsam, Stück für Stück, mit jedem neuen Produkt und jedem neuen Service, jedem Inhalt und jeder neuen Verbindung, die entsteht und sich mit dem Bestehenden interoperabel verknüpft, geschaffen werden. Dazu werden unzählige neue Technologien, Innovationen und Anwendungen notwendig sein. Vorgezeichnet wurde der Weg schon.

In drei Schritten zum Metaverse

Ball unterscheidet drei Stufen, durch die das Metaverse geschaffen werden kann. Einerseits wird eine parallel laufende Infrastruktur unerlässlich sein, denn sie ist die Grundlage, auf der sich das restliche Metaverse aufbaut. Zweitens bedarf es an universellen Standards und einheitlichen Protokollen, die wie die physikalischen Regeln der echten Welt die Spielregeln des (Meta-)Universums festlegen. Zu guter Letzt muss dem Metaverse Inhalt gegeben werden, sodass die Nutzenden eine Sinnhaftigkeit darin sehen, im Metaverse zu verweilen.

Kein System funktioniert ohne bestimmte Rahmenbedingungen. Aus diesem Grund werden insbesondere die universellen Standards und einheitlichen Protokolle für das Metaverse von Bedeutung sein. Doch um das Metaverse regulieren zu können, wird weit mehr notwendig sein als eine einfache nationale Regelung, die wiederum für jeden Staat individuell wäre. So übergreifend wie das Metaverse selbst, so vernünftig wäre es auch, einen internationalen – und nicht mit einem bestimmten Rechtsregime in Verbindung stehenden – rechtlichen Rahmen zu schaffen.

Meta Law für das Metaverse

Neben völkerrechtlichen Regeln, die natürlich auch im Metaverse gelten, würde sich deshalb eine Art globales Recht oder Weltrecht anbieten. Der Weg dahin könnte schwierig sein, aber beim Aufbau von Metas Oversight Board hat auch vieles – und auch die Entwicklung eines globalen Rechts (nach dem das Board entscheidet) – mit der Entscheidung eines Unternehmens begonnen.

Wer setzt das Recht im Metaverse durch? Bekommen wir eine Metaverse-Polizei? Und bekommt jede Welt des Metaverse seine eigene? Es ist absehbar, dass sich ähnliche Probleme stellen wie in der Plattformregulierung. Gerade im Hinblick auf die jeweiligen individuellen Rechte der Nutzenden, die durch das Metaverse berührt werden, ist es erforderlich, ein rechtliches Gefüge zu schaffen, das ein hohes Maß an Rechtssicherheit garantiert.

Ein Recht für Meta-Konsumierende

Wer sich im Metaverse bewegt und aufhält, wird früher oder später "konsumieren" wollen und im Austausch gegen eine Leistung oder ein Gut einen "Wert" geben müssen. Hier kommen die "digital assets" ins Spiel. Digital assets können alles sein, was digital ist und mit einem Nutzungsrecht oder Eigentum einhergeht. Dazu gehören unter anderem die berühmt-berüchtigten auf Blockchain-Technologie basierenden Kryptowährungen und Non-Fungible Tokens (NFTs). Es bieten sich im Speziellen NFTs als Möglichkeit an, die virtuellen Welten des Metaverse untereinander interoperabler zu machen, da sie als "digitale, nicht austauschbare Vermögenswerte, die unveränderlich in der Blockchain gespeichert sind und dadurch einem eindeutigen Benutzer zugeordnet werden können" und in ihrer Grundbeschaffenheit einer soliden Währung am meisten ähneln.

Ihre "Einzigartigkeit" begründet sich darin, dass jeder einzelne NFT mit einem bestimmten Objekt verbunden ist, der auch dessen Wert definiert. Im Vergleich dazu Kryptowährungen, wie beispielsweise der Bitcoin, die immer den gleichen Wert haben (Bitcoin A hat den gleichen Wert wie Bitcoin B). Doch auch NFTs haben ihre Nachteile, die bei der Erstellung der Rahmenbedingungen des Metaverse berücksichtigt werden sollten, wie die Gefahr von Hackerangriffen bei NFT-Plattformen mit veralteten oder ineffizienten Sicherheitsprotokollen oder die Tatsache, dass man mit dem Erwerb eines NFTs zwar Eigentum am NFT erwirbt, jedoch keinerlei Kontrolle über die Sache hat, die dem Wert des NFT zugrunde liegt.

Gute Regeln für Meta-Räume

Gute Regeln müssen durchdacht sein: Insbesondere Rechtsfragen, die sich mit der Privatsphäre der User und Userinnen, digitalem Vermögen, den Rahmenbedingungen für Werbung und Produkttransparenz beschäftigen, sollten bereits von Anfang an berücksichtigt werden. Mit dem Metaverse geht ein enormer Fluss an Daten einher, und dazu gehört auch diese Art von Daten, die den höchstpersönlichen Bereich der Nutzenden betreffen, weswegen von vornherein klar und leicht verständlich sein muss, wann sie erhoben, wie und unter welchen Umständen sie verwendet und welchen weiteren Parteien sie zur Verfügung gestellt werden.

Dem Metaverse wohnt die Möglichkeit inne, neue Räume, neue Beziehungen, neue Visionen für das menschliche Zusammenleben zu schaffen. Das verlangt Planung, Aufmerksamkeit – und gerade Juristinnen und Juristen, die sich beschäftigen müssen mit Fragen der Zukunftsregulierung, aber auch der Regelung von etwas ganz Grundlegendem: der Frage, wie wir zusammenleben wollen. Denn diese Frage stellt sich offline, online und im Metaverse. (Lisa Maria Riedl, 2.12.2022)