Alle Jahre wieder. Seit einigen Jahren poppt zur Weihnachtszeit eine Diskussion zur Hilfsaktion "Licht ins Dunkel" auf. Tenor der Kritik: Menschen mit Behinderung würden zu hilflosen Almosenempfängern und Bittstellerinnen degradiert. So bekannt das Motto und so unterstützenswert die einzelnen Initiativen auch sind, impliziert es dennoch, dass Menschen mit Behinderungen ein Leben im Schatten führen. Behinderung wird als Defizit, als etwas Schlechtes dargestellt.
Die zweite Tangente der Kritik: "Licht ins Dunkel" übernimmt die Aufgaben des Staates, Menschen mit Behinderungen zu unterstützen. Die Politik stiehlt sich aus der Verantwortung.
ORF sieht keinen Anlass für Imagekorrektur
Die inklusive Online-Plattform Andererseits nimmt mit einer sehenswerten Doku einen neuen Anlauf, um die Themen aufs Tapet zu bringen. Zu Wort kommen Menschen mit Behinderung, Experten und Branchenvertreter. Sie fordern eine Abschaffung von "Licht ins Dunkel" und pochen auf die Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention.
Und der ORF? Der will die "Licht ins Dunkel"-Sendungen nicht neu konzipieren. Die 50 Jahre alte Marke sei mit ihrer Strahlkraft so bekannt, dass ihr eine Imagekorrektur schaden könnte, glaubt Pius Strobl, Chef des Humanitarian Broadcasting im ORF. Der ORF habe die Marke ja eh "neu aufgeladen" – mit dem Zusatz "den Menschen sehen". Selbstreflexion sieht eindeutig anders aus.
"Licht ins Dunkel" ist Hilfsbereitschaft, aber auch eine Bühne für Politiker, ORF-Mitarbeiterinnen und Unternehmen, sie und sich öffentlichwirksam zu inszenieren. Auf die Tränendrüsen drücken und einander auf die Schulter klopfen, wie toll man nicht sei, gehört zum Konzept. Der ORF täte jedenfalls gut daran, die Kritik ernst zu nehmen. Hoffentlich ist da jemand?! (Oliver Mark, 29.11.2022)