Christoph Chorherr hat im Prozess eingeräumt, er hätte als Vereinsobmann 2010 gehen müssen. Damals kamen die Grünen in die Wiener Stadtregierung.

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Dass am Straflandesgericht Anwälte anstelle von Beschuldigten auftreten, ist recht selten, aber es kommt vor. Am Dienstag geschah das öfter: In der Verhandlung zur Causa Chorherr im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien stand zunächst die Befragung der angeklagten Unternehmen an bzw. deren Geschäftsführer oder eben "Machthaber".

Die Verantwortlichen der gemäß Verbandsverantwortlichkeitsgesetz angeklagten Verbände müssen nicht persönlich vor Gericht erscheinen, etliche von ihnen ließen sich daher von Anwälten vertreten. Diese "Machthaber" erklärten sich auf die entsprechende Frage des Vorsitzenden Michael Tolstiuk allesamt für nicht schuldig.

Gemeinderat und Obmann

In dem Prozess sind zehn Personen und 21 Verbände angeklagt, darunter auch der Verein S2Arch, den der frühere grüne Stadtpolitiker gegründet hat und dessen Obmann er bis 2018 geblieben ist. Dem einstigen Planungssprecher der Grünen und Gemeinderatsmitglied werden Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit vorgeworfen, rund um Spenden, die die anderen Angeklagten an den Verein getätigt haben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bringt die Spenden mit Immobilienprojekten in Zusammenhang. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Nicht schuldig bekannte sich auch der heutige Obmann des Vereins, der Chorherr 2018 beerbt hat. Auch er wies alle Vorwürfe zurück. "Ich kenne niemanden, der weniger korrupt ist als Chorherr", ließ er wissen. Auf Nachfrage der WKStA erklärte er das damit, dass er den Ex-Politiker seit seinen Schulzeiten kenne, seit 52 Jahren.

Verein ermöglichte Schulen

Der Verein habe heute elf Mitglieder, damals sei es sehr "en vogue" gewesen, für S2Arch zu spenden, schilderte der Vereinsobmann. Vereinszweck sei die Bekämpfung von Armut und Not gewesen, durch Investitionen in Bildungseinrichtungen – konkret also die Errichtung der Ithuba-Schulprojekte in Südafrika. Auch er selbst sei zuvor Vereinsmitglied gewesen und über Chorherr ans Projekt gekommen. Der habe geradezu für Ithuba "gelebt, dafür gebrannt", schilderte Herr H. Einen Konnex zwischen Spenden und Immobilienprojekten schloss er aus.

In den jährlichen Hauptversammlungen seien Großspenden wie jene von Ex-Investmentbanker Wilhelm Hemetsberger oder von René Benkos Signa auch gar nicht Thema gewesen. Man habe an den Bilanzen gesehen, dass das nötige Geld in Form von Spenden hereingekommen sei. Heute müsse der Verein noch 130.000 bis 150.000 Euro jährlich "weiterschicken", damit die Schulen erhalten werden können. Allerdings sei er für die Finanzen nicht zuständig, so H., das sei der Vereinskassier.

Vassilakou und Meinl-Reisinger sagen aus

Selbiger wird als Zeuge vor Gericht erscheinen. Ihn, die damalige grüne Planungsstadträtin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und ein paar weitere Zeugen wird das Gericht nämlich vorladen. Die übrigen Zeuginnen und Zeugen müssen nicht kommen – ihre Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren werden seit Dienstag von den drei Berufsrichtern verlesen. Auf dieses Prozedere haben sich Richtersenat und Anwältinnen und Anwälte am Dienstag geeinigt.

Die ersten Verlesungen gab es bereits zu hören. Die Beamten der für Widmungen zuständigen MA 21 sagten demnach allesamt aus, dass es "keine Interventionen" gegeben habe. Die Verfahren seien ordnungsgemäß abgelaufen, bei Widmungsgesprächen sei er nie dabei gewesen, erläuterte Chorherr dazu.

Visionen eines Politikers

Ja, und warum er dann immer beim Jour fixe der MA 21 dabei war? Da habe er seine "Visionen als Politiker eingebracht", Macht habe er dort nicht gehabt. Am Freitag wird weiterverlesen und weiterverhandelt. (Renate Graber, Fabian Schmid, 29.11.2022)