Kennen Sie "home hospitality"? Das ist ein Programm der Amerikaner, jedenfalls vor etlichen Jahren. Wenn man auf einem Seminar in den USA war, hat das US-Außenministerium organisiert, dass man von völlig fremden Familien nach Hause eingeladen wird. Für einen Abend oder ein Weekend. Wildfremde Leute, aber sehr freundlich. Bitte, manchmal merkt man schon die "cultural differences", die politischen Ansichten können auch manchmal weit auseinanderliegen … Ja. Jedenfalls sehr interessant.

Gibt’s bei uns eigentlich nicht so. Wir laden nicht so einfach wildfremde Leute ein. Was der Grund dafür sein dürfte, dass sich wieder einmal sogenannte Expats (die für große Firmen oder internationale Organisationen für ein paar Jahre bei uns sind) darüber beschweren, dass sie es so schwer mit uns haben: "Unfreundlichste Stadt der Welt!"

Wien ist eine internationale Stadt mit internationalem Flair.
Foto: Christian Fischer

Es liegt nicht an der Lebensqualität. Da ist Wien ganz weit oben. Es liegt am Index für "Eingewöhnung". Der ist schlecht. Expats beschreiben die Menschen in Wien als unfreundlich im Allgemeinen (43 Prozent vs. 17 Prozent weltweit) sowie gegenüber der ausländischen Bevölkerung im Besonderen (46 Prozent vs. 18 Prozent weltweit). Darüber hinaus findet es mehr als die Hälfte der Befragten schwer, sich mit den Wienerinnen und Wienern anzufreunden. Jede und jeder Dritte fühlt sich zudem in Wien nicht willkommen.

Schlechte Erfahrungen

Leute, das ist ein Missverständnis. Wir sind einfach schüchtern. Wir haben Versagensängste. Wir genieren uns wegen unserer Unfähigkeit zu brillanter Konversation, auf Französisch oder so. Wir denken, dass unsere Wohnungen für so einen Expat zu minder sind. Verglichen mit dem, was man in den Hochglanzmagazinen über ein Apartment in New York oder Paris oder London sieht. Natürlich – das gehobene Bürgertum macht schon Einladungen, aber eher untereinander. Die Familien kennen sich, haben Themen, über die man reden kann (wieso der Bub vom Theresianum weg hat müssen, wer sich jetzt scheiden lässt und woher der XY dieses ganze Geld hat). Aber politisch sind wir, sag ma, neutral. Am End müss ma dann mit so ausländischen Gästen über Klimawandel oder so was reden …

Dazu kommt: Die sind hier fremd, die müssen sich anstrengen! Sicher, heut kann eh jeder Englisch, aber wieso sollen wir uns abplagen? Ganz richtig, was ein Poster auf derStandard.at schreibt: "Der Großteil der G’spritzten, die da ein paar Jahre arbeiten, lernen die Sprache erst gar nicht, erwarten aber, dass jeder Englisch kann. Speziell die Amis." Bitte, wir sind überhaupt nicht provinziell! Wir schicken unsere besten jungen Leute ins Ausland, damit sie dort was werden, und das tun sie auch. Das muss ja nicht heißen, dass wir für jeden Ausländer hier die Tür aufmachen. Wir haben ja schlechte Erfahrungen gemacht. Da lad’t man so einen ausländischen Potentaten sogar zur eigenen Hochzeit ein – und was macht der ein paar Jahr später? Er dreht uns das Gas ab.

Wien ist eine internationale Stadt mit internationalem Flair und internationalen Institutionen (dass wir das Kongresszentrum mit dem größten Volksbegehren aller Zeiten abgelehnt haben, ist schon lang her), und das muss reichen. Daham wollen wir die nicht auch noch haben. (Hans Rauscher, 29.11.2022)