Das Buch, das sie bekannt machte: Nina Gummich als Alice Schwarzer bei der Präsentation von "Der 'kleine Unterschied' und seine großen Folgen" im zweiteiligen Biopic "Alice".

Foto: rbb / Alexander Fischerkoesen

Alice (Nina Gummich) beim Interview mit Jean-Paul Sartre (Charlie Nelson) und Simone de Beauvoir (Sarah Chaumette) ...

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... und im TV-Duell mit Esther Vilar (Katharina Schüttler).

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Eine junge Frau sitzt am Strand in der Bretagne, die Wellen rauschen, alles ist hell, sonnig und warm. Alice Schwarzer heißt sie, und sie träumt von ihrer Zukunft als Journalistin, hat einen starken Willen, große Pläne, will verändern und aufklären. Dort am Strand lernt sie den verschmitzten und schüchternen, Karl Marx lesenden Bruno (Thomas Guené) kennen, der noch lange eine Rolle in ihrem Leben spielen und den sie zehn Jahre später verlassen wird.

Fröhlich und beschwingt beginnt der Zweiteiler Alice, zu sehen – rechtzeitig vor Schwarzers 80. Geburtstag am 3. Dezember – am Mittwoch im Hauptabend von ORF 2 und in der ARD.

Alice Schwarzers Sicht

180 Minuten nimmt sich Regisseurin Nicole Weegmann Zeit, das Leben der Feministin, Journalistin und Kämpferin für Gleichberechtigung zu erzählen. Zumindest einen Teil davon, denn der fiktive Zweiteiler – das Drehbuch kommt von Daniel Nocke und Silke Steiner – konzentriert sich auf die Zeit zwischen Schwarzers Aufenthalt als Au-pair-Mädchen in Frankreich, dem Beginn der Frauenbewegung in Paris und der ersten Emma-Ausgabe Anfang 1977.

Dargestellt wird hier vor allem Schwarzers Sicht, Kritik – etwa an ihrer Berichterstattung über den Kachelmann-Prozess für die Bild oder an ihrer umstrittenen Positionen zu Islam oder Pornografie – findet wegen dieser zeitlichen Einschränkung keinen Platz. Wer ein kritisches und vollständiges Porträt über Schwarzer erwartet, wird mit diesem Biopic nicht bedient, das Drehbuch basiert auf ihrer Autobiografie Mein Leben.

"Ich habe Daniel Nocke, dem Drehbuchautor, jederzeit für Informationen zur Verfügung gestanden. Und auch allen anderen. Wichtig war mir, dass das Team den Spirit der Zeit versteht: den Übermut, den Optimismus! Und dass sie mich im Kern erfassen: meine Stärke, aber auch meine Melancholie", wird Schwarzer dazu von der ARD zitiert.

Dass Alice aber nicht nur wie ein Geburtstagsgeschenk an Schwarzer daherkommt, sondern trotz dieser Kritikpunkte einen unterhaltsamen und auch teils lehrreichen Fernsehabend bereitet, liegt vor allem an der hervorragenden Leistung von Nina Gummich (Charité, Unterleuten), die Schwarzer die richtige Mischung aus Vehemenz und Leichtigkeit verleiht, es aber auch schafft, Schwarzer in Zeiten der Einsamkeit und Verzweiflung authentisch darzustellen.

Etwa, wenn Schwarzer einen Text für die Münchner Journalismusschule schreibt, während neben ihr im Bett ihre Freundin nach einer illegalen Abtreibung fast verblutet. Oder sie viel später allein mit ihrer toten Katze in der verlassenen Emma-Redaktion sitzt. Ohne Rückhalt, ohne Mitstreiterinnen. Aber trotz allem nie ans Aufgeben denkt.

Medienmänner

Lustvoll arbeitet sich Regisseurin Weegmann auch an den Begegnungen und Auseinandersetzungen von Alice Schwarzer mit den Männern des deutschen Medienbetriebs und deren Umgang mit jungen Journalistinnen ab, von den Chefs der Münchner Journalismusschule über die Auftraggeber bei den Düsseldorfer Nachrichten bis hin zu den Satirikern von Pardon. Freilich darf auch das legendäre Streitgespräch zwischen Schwarzer und Antifeministin Esther Vilar (Der dressierte Mann) nicht fehlen, das hier originalgetreu mit Katharina Schüttler als Vilar nachgestellt wird. Gerne schaut man auch zu, wie Schwarzer den damaligen Stern-Chefredakteur Henri Nannen (Sven-Eric Bechtolf) dazu bringt, auf dem Titelbild zur Aktion "Wir haben abgetrieben" nicht nur Romy Schneider abzubilden.

Alles schön gemacht und gut gespielt. Aber wichtig, dass die ARD nach dem Zweiteiler ab 23.50 Uhr mit der Dokumentation Die Streitbare – Wer hat Angst vor Alice Schwarzer? nachlegt. (Astrid Ebenführer, 30.11.2022)