Von seiner Richtlinienkompetenz hat Olaf Scholz, anders als beim Ampelstreit um den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke, (noch) nicht Gebrauch gemacht. Und dennoch zeigte der deutsche Kanzler ganz klar, wo er in der Diskussion um den Pass steht.

"Neun Millionen Bürgerinnen und Bürger leben und arbeiten in unserem Land, ohne dass sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Eine Demokratie aber lebt von der Möglichkeit, mitzubestimmen", betont Scholz und stellt sich damit hinter seine Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Lindner, Habeck und Scholz haben wieder einiges zu besprechen.
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Diese nämlich hat einen Entwurf für ein neues Staatsbürgerschaftsrecht vorgelegt. Künftig soll eine Einbürgerung schon möglich sein, wenn jemand fünf Jahre in Deutschland lebt – nicht mehr wie derzeit acht Jahre. Bei "besonderen Integrationsleistungen" winkt der Pass, nach den Plänen der Innenministerin, bereits nach drei Jahren. Das könnte bei besonderen schulischen oder beruflichen Leistungen der Fall sein. Oder wenn sich jemand ehrenamtlich engagiert oder besonders gute Sprachkenntnisse hat. Für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern möchte Faeser eine Sonderregelung: Sie können automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn sich ein Elternteil seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhält. Laut Gesetzesentwurf ist ein weiteres Ziel, "Mehrstaatigkeit generell zuzulassen".

Ambitionierter Plan

Eigentlich erfüllt Faeser nur eine Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag, den SPD, Grüne und FDP geschlossen haben. Dort ist festgehalten: "Wir schaffen ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. (...) Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein."

Deutschland würde mit den USA, Frankreich und den Niederlanden gleichziehen. Dort kann man nach fünf Jahren Staatsbürger werden.

Im Wahlprogramm der FDP steht sogar eine noch kürzere Frist: "Wir fordern für Einwanderinnen und Einwanderer zudem einen vereinfachten Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit nach insgesamt vier Jahren." Dennoch sind die deutschen Liberalen nun mit Faesers Plänen nicht einverstanden.

Keine "Entwertung"

"Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für eine Vereinfachung des Staatsbürgerschaftsrechts. Es gibt bisher keinerlei Fortschritte bei der Rückführung und Bekämpfung der illegalen Migration", sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und betont außerdem: "Eine Entwertung der deutschen Staatsbürgerschaft wird es mit der FDP nicht geben."

Kritik kommt auch aus der Union: "Der deutsche Pass darf nicht zur Ramschware werden", sagt der Geschäftsführer der Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU). Sein Erhalt müsse am Ende und dürfe nicht am Anfang des Integrationsprozesses stehen.

Vor "Verramschen" warnt auch CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt. Und CDU-Fraktions- und Parteichef Friedrich Merz will keine "Einwanderung in die Sozialsysteme".

Österreich weiter unter dem Schnitt

Im Jahr 2020 wurden 1,1 Prozent der in Deutschland lebenden Ausländer eingebürgert. Damit liegt Deutschland unter dem EU-Schnitt von zwei Prozent. Österreich ist, mit 0,6 Prozent, übrigens noch weiter hinten.

Lob bekommt die Ampel hingegen von der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer: "Angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels ist das unbedingt zu begrüßen."

Zustimmung gibt es auch vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft. Dort betont man, dass einfachere Einbürgerung von Softwareingenieuren und Pflegekräften sich als Standortvorteil erweisen könne. (Birgit Baumann aus Berlin, 29.11.2022)