Im Gastkommentar tritt die Kulturwissenschafterin Aleida Assmann dafür ein, das Konzept des Heeresgeschichtlichen Museums auf eine neue Grundlage zu stellen.

Immer wenn ich in den letzten Jahren am Flughafen Wien ankam, hat mich ein Plakat besonders fasziniert. Darauf stand: "Kriege gehören ins Museum." Das hat mich für das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) eingenommen. Was im Museum landet, dachte ich, wird automatisch "historisiert", es rückt in sichere Distanz und darf sogar Staub ansetzen. Um Kriege in die Distanz zu versetzen, muss man sie aber erst einmal beenden und aus sich herausholen. Erst dann kann man sie von außen betrachten und sie sind auch fern genug, um sie wissenschaftlich zu untersuchen und etwas über sie zu lernen. Die Kriege, die im Museum gelandet sind, so dachte ich, sind dann ein für alle Mal beendet, aber sie sind nicht aus der Welt. Die Gesellschaft kann sich diese Geschichte aneignen und dabei noch etwas Wichtiges für die Zukunft lernen.

"Kriege gehören ins Museum" – auch auf der Fassade des Heeresgeschichtlichen Museums prangt dieser Spruch.
Foto: APA / Herbert Neubauer

So weit die privaten Assoziationen, die das Plakat bei mir ausgelöst hat. Inzwischen habe ich mehr über das Heeresgeschichtliche Museum erfahren. Ich habe mitbekommen, dass die Räumlichkeiten dort zu anderen Zwecken genutzt wurden als zur distanzierenden und reflektierenden Betrachtung. Die Räume, so lese ich, wurden als Bühne zur Selbstinszenierung für Fotos und zum Treffen mit militanten Personen und Gruppen genutzt, die sich dort unbehelligt vernetzten. Propagandagemälde wurden unkommentiert ausgestellt, und Bücher von Nazis fanden sich im Sortiment des Museumsshops. Aber das hat offenbar zu keinem wirklichen Skandal geführt, oder, wenn es denn einen gab, dann ist er schnell verflogen und blieb ohne nachhaltige Wirkung.

Eher eine Glorifizierung

Militarismus, Antisemitismus und Rassismus sind gefährliche chronische Krankheiten, die einer sorgfältigen Beobachtung, Therapie und Prävention bedürfen. Es sieht tatsächlich so aus, als sei dieses Museum nicht auf die Beendigung von Gewalt ausgerichtet, sondern eher auf ihre Verstetigung und Glorifizierung.

Ingeborg Bachmann hat sich in ihrem Roman Malina bekanntlich mit "Todesarten" beschäftigt. Er erschien 1971 in der Nachkriegszeit während der Eiszeit der Erinnerung, als das Vergessen regierte. Sie hat ihrer weiblichen Icherzählerin ein männliches Alter Ego gegenübergestellt. Der männliche Teil von Malina arbeitet im Heeresgeschichtlichen Museum und ist mit der Archivierung von Gewalt beschäftigt, während der weibliche Teil von Träumen und Traumata heimgesucht ist. Obwohl es damals weder die Sprache noch die historische Forschung gab, die uns heute zur Verfügung steht, registrierte Bachmann in ihrem psychohistorischen Roman bereits hellsichtig die Bewegungen und Zeitsprünge der Gewalt zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

"Ein solches Museum ist ein Aushängeschild seines Landes."

Vor diesem Hintergrund sind Kontinuitäten, die sich heute in den Institutionen und politischen Strukturen zeigen, hochproblematisch. Ein Museum, dessen Räumlichkeiten als Enklaven militaristischer Nostalgie und rechtsextremer Gewaltverherrlichung genutzt werden, die heute in digitalen Netzwerken große Verbreitung finden, kann nicht weitermachen wie bisher. Auch ein Direktor, dem vom Rechnungshof organisatorische Missstände bescheinigt werden und dessen Führungsstil im Team ein Klima der Angst verbreitet, steht dem geforderten Neubeginn des Museums entgegen.

Aktuelle Maßstäbe

Wenn Schaden vom Verteidigungsministerium abgewendet werden soll, ist es unerlässlich, das Konzept dieses Museums auf eine neue Grundlage zu stellen und sich dabei auf aktuelle museologische Maßstäbe und die Expertise der Wissenschaft zu stützen. Ein solches Museum ist ein Aushängeschild seines Landes. Was jetzt von Skandalen umwittert ist, hat das Potenzial, ein wichtiger und instruktiver Ort zu werden, weil er in seinem Ausstellungsarrangement den Wandel von einem Machtmuseum mit einer langen imperialen Geschichte in ein Demokratiemuseum sinnlich erlebbar vor Augen führen kann. Dieser Weg von der Vergangenheit und Gegenwart in die Zukunft ist aber so lange blockiert, wie institutionelle und personale Kontinuitäten das Schicksal des Museums bestimmen.

Leider sind Kriege noch nicht im Museum angekommen, wie wir heute alle wissen. Umso wichtiger, dass das Heeresgeschichtliche Museum mit diesem Thema verantwortungsvoll umgeht und endlich auf der Höhe der Zeit ankommt. Der Faszination von Gewalt, dem Glanz von Waffen und Uniformen sind als Antwort eine Pädagogik des Friedens und eine Stärkung der demokratischen Kultur mit ihren zivilen Formen der Konfliktlösung entgegenzusetzen. In dieser Aufgabe könnte sich das HGM mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und dem Haus der Geschichte Österreichs verbinden. (Aleida Assmann, 30.11.2022)