Peter Kaiser (links) und Hans Peter Doskozil (rechts) haben das Positionspapier der SPÖ zu Flucht, Asyl, Migration und Integration 2018 gemeinsam verfasst. Es gilt nach wie vor.

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In der SPÖ sei in Sachen Asyl und Migration viel in Bewegung, verkündeten dieser Tage sozialdemokratische Parteirepräsentanten. Von einem "restriktiveren Kurs" sprach etwa der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer, der Parteivorsitzender Pamela Rendi-Wagner in einem "Krone" -Interview zur Seite stand.

In dem Interview kritisierte Rendi-Wagner das europäische Asylsystem, das gescheitert sei. Es könne nicht sein, dass Österreich mit 90.000 Asylanträgen alleingelassen werde, sagte sie. Damit schwenkte sie – in Worten – auf die Linie ihres Parteirivalen und burgenländischen Landeshauptmanns Hans Peter Doskozil ein, der die Flüchtlingssituation im heurigen Jahr schon seit Monaten als krisenhaft einschätzt.

Aus der Ära Christian Kern

Doch ob die Parteichefin und ihr Widersacher in Sachen Asyl und Migration inhaltlich wirklich so weit auseinanderliegen, ist fraglich. Beide nämlich beziehen sich auf das aus der Ära des Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers Christian Kern stammende SPÖ-Positionspapier "Flucht – Asyl – Migration – Integration". Es sollte die in Ausländerfragen uneinige Partei auf eine konsensfähige Linie festlegen.

In dem von Doskozil und dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) erstellten Papier aus dem Jahr 2018 kommen auch sämtliche aktuellen Vorschläge Rendi-Wagners und Doskozils vor. Hier einige wichtige Punkte:

· Bessere Kontrolle der EU-Außengrenzen

Hier sind sich nicht nur Rendi-Wagner und Doskozil, sondern beide auch mit der derzeitigen Kanzlerpartei ÖVP einig. Offen dabei bleibt die Frage, wie und wer sowie unter welchen rechtlichen Bedingungen kontrolliert werden soll. Aus der ÖVP kamen diesbezüglich Vorschläge, die Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention und asylrelevanter EU-Richtlinien restriktiver zu gestalten. Die SPÖ schließt das aus, das hielt zuletzt auch Doskozil fest.

In der EU gibt es zum Außengrenzschutz keinen Konsens. Die Bemühungen um ein – auch im SPÖ-Papier enthaltenes – "gemeinsames europäisches Asylsystem mit einheitlichen Asylverfahren, fairer Kostenverteilung und Standardisierten Leistungen" treten seit vielen Jahren auf der Stelle.

· Verfahrenszentren außerhalb statt Asylanträgen in der EU

Wie die ÖVP und viele andere politische Player schlägt auch die SPÖ Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen vor. In der Nähe der Herkunftsstaaten Flüchtender sollen zudem UNHCR-konforme Verfahrenszentren entstehen. Beim UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR in Wien sieht man, was diese Pläne angeht, "mehr Fragezeichen als Antworten. Welches Land will solche Zentren, welcher EU-Staat nimmt in der Folge wie viele Asylberechtigte auf, was soll mit abgelehnten Asylwerbenden geschehen?", zählt eine Sprecherin auf.

· Schnellere Asylverfahren

Asylverfahrensbeschleunigung fordert die SPÖ sowohl – künftig – an den EU-Außengrenzen als auch derzeit in Österreich. Binnen dreier Monate soll ein Erstbescheid vorliegen.

In Österreich hat sich in der Praxis seit der Positionspapiererstellung 2018 etwas getan. Laut Beobachtenden entscheidet das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), die heimische Asylbehörde erster Instanz, seit etwa zwei Jahren merkbar rascher als davor. Konkrete Zahlen liegen von den Berufungsinstanzen, den Asylgerichten, vor. Laut Innenministeriumsstatistik ist dort die Zahl offener Verfahren seit 2018 von rund 30.000 auf rund 7000 gesunken.

· Jobzugang für Asylwerbende

Diese Forderung kommt nicht aus dem SPÖ-Positionspapier, sondern vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig im STANDARD-Interview am Montag.

Um, wie er sagte, zu verhindern, "dass junge Männer lange Zeit kaserniert sind und keine Möglichkeit haben, arbeiten zu gehen", müsste die Zuverdienstgrenze in der Grundversorgung anders gehandhabt werden. Während sie für Ukraine-Flüchtlinge von 110 auf 145 Euro angehoben und großzügig gehandhabt werden soll, soll sie für Asylwerbende unverändert bleiben.

Das hemmt deren Jobaufnahme sehr – obwohl der Verfassungsgerichtshof die Beschränkung des Arbeitsmarktzugangs von Asylwerbenden auf Ernte- und Saisonarbeit, die davor jahrelang gegolten hatte, im Juli 2021 aufgehoben hat.

· Schaffung einer österreichischen und einer EU-Migrationsstrategie

Hier schließt sich die SPÖ in ihrem Positionspapier der Forderung vieler Migrationsfachleute an. Sie treten für breiteren legalen Zugang von Drittstaatsangehörigen in die EU – und somit auch nach Österreich – abseits der Asylschiene ein.

Eine solche Migrationsstrategie wäre heute umso dringender, als sich seit 2018 der Arbeitskräftemangel massiv verstärkt hat. Im SPÖ-Papier wird jedoch festgehalten, dass der Zuzug sozial verträglich sein muss und nicht zu Lohndumping führen darf.

Auch soll Migration laut SPÖ nur unter der Bedingung von Integration vor Zuzug stattfinden. Dazu müsste eine neue Struktur von Deutschlernangeboten und Informationsveranstaltungen über Österreich in Drittstaaten aufgebaut werden. Die Frage ist, ob sich angesichts des zunehmenden Buhlens um Einwanderungswillige in Europa dann viele Menschen für Österreich entscheiden. (Irene Brickner, 30.11.2022)