Der Streik ist vorbei. Jetzt ist die Schlüsselfrage, wie man die auf ihren Positionen beharrenden Verhandler heraus aus ihren Bunkern holt.

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Am Tag nach dem Bahnstreik stand Aufräumen auf dem Fahrplan. Die ÖBB versuchte an die 8000 Züge wieder in Takt zu bringen (was großteils gelang, Verspätungen gab es aber auch). Die Schlüsselfrage in den Lohnverhandlungen für 50.000 Eisenbahner lautet: Wie holt man die auf ihren Positionen beharrenden Verhandler heraus aus ihren Bunkern?

Vida-Vorsitzender und ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit ließ keine Bereitschaft erkennen, von der geforderten Erhöhung der Lohntabelle um 400 Euro brutto abzurücken. Das ist weit entfernt von den 200 Euro, die die Bahnbetreiber vor dem Warnstreik zugestanden hatten – und auch heikel. Anders als eine prozentuelle Erhöhung verschärft ein Sockelbetrag die Ungleichgewichte innerhalb der Arbeitnehmerschaft. Ungelernte Hilfskräfte bekämen ungleich mehr als über Jahre gut ausgebildete Fachkräfte, also die Leistungsträger.

Der Mindestlohn gemäß Bahn-KV von rund 2000 Euro würde um 20 Prozent auf 2400 Euro steigen. Das Entgelt einer langjährig ausgebildeten Fachkraft hingegen erhöhte sich nur um 13,3 Prozent, diesfalls von 3000 auf 3400 Euro. Der notwendige Ausgleich zwischen dem allgemeinen Bahn-KV und dem deutlich besseren ÖBB-Gehaltsschema (AVB) wäre so wieder nicht realisiert. Im Gegenteil, die Kluft verschärft sich, weil AVB-Bezüge höher sind und Biennalsprünge erhalten.

Generationswechsel

Das werde sich früher oder später rächen, warnen Auskenner mit Erfahrung im Personalwesen. Denn der Generationswechsel ist in Gang, allein die ÖBB will in den nächsten Jahren 20.000 neue Mitarbeiter anstellen. Das führe dazu, dass in zehn Jahren die Mehrheit der Triebfahrzeugführer, Zugbegleiter, der im technischen Dienst und der Verwaltung Tätigen dem schlechteren Bahn-KV angehören. Ihr gewerkschaftlicher Organisationsgrad ist geringer als bei den sogenannten Alteisenbahnern, der starke Arm der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida würde so wohl an Kraft einbüßen.

Als möglicher Ausweg aus dem Debakel böte sich eine stufenweise Erhöhung in den nächsten vier Jahren um jeweils hundert Euro oder um je 200 Euro heuer und 2023 an. Damit wäre ein Pfad für Steigerungen fixiert und die bei der KV-Verhandlung 2023 aufgrund der hohen Inflationsrate unvermeidliche weitere deftige Erhöhung wäre auf Schiene.

Zunächst sind aber die Sozialpartnerspitzen gefragt, also Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer und ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. Sie sollen auf Ersuchen des Fachverbands Schienenbahnen eine Art Vermittlungsverfahren starten.

Warnstreik bei A1

Kurzen Prozess machten die Bediensteten von A1 Telekom Austria bei ihrem Warnstreik am Dienstag. Nach einer Betriebsversammlung samt Protestzug rund um die Firmenzentrale in der Wiener Lassallestraße war der Spuk gegen Mittag vorbei. Laut Gewerkschaft der Fernmeldebediensteten bot A1 von Jänner bis September 2023 eine Teuerungsprämie von 200 Euro. KV- und Ist-Gehälter wären erst im September 2023 erhöht worden. Zusammen würde dies eine Erhöhung um fünf Prozent plus 85 Euro auf der Gehaltstabelle ergeben. (Luise Ungerboeck, 29.11.2022)