Lange blieb der Bereich Bekleidung und Schuhe von der Teuerungswelle verschont. Erst zuletzt setzten die Preise auch hier zu einem Sprung nach oben an.

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Die Inflation in Österreich bleibt im Herbst auf sehr hohem Niveau. Laut einer Schnellschätzung der Statistik Austria lag die Teuerung im November bei 10,6 Prozent, das ist ein leichter Rückgang verglichen mit dem Vormonat. Im Oktober hatte die Teuerung mit elf Prozent den höchsten Wert seit Juli 1952, also seit mehr als 70 Jahren, erreicht. "Ein Grund dafür ist, dass sich der Preisauftrieb bei den wichtigsten Inflationstreibern Haushaltsenergie und Treibstoffe etwas abschwächt", sagt Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas am Mittwoch. Allerdings gewinnt der Preisauftrieb schon seit Monaten an Breite.

Gemäß EU-Berechnungsmethode lag die Inflation in Österreich bei 11,1 Prozent. Auch in der gesamten Eurozone ist der Preisauftrieb laut der Statistikbehörde Eurostat im November etwas zurückgegangen, nämlich von dem Rekordwert von 10,6 Prozent im Oktober auf nunmehr zehn Prozent. Die geringste Teuerung in der Eurozone verzeichnete Spanien mit 6,6 Prozent, in Estland war sie mit 21,7 Prozent am stärksten.

Höhepunkt der ersten Welle

Mit den November-Daten dürfte laut Expertenprognosen die zumindest erste Inflationswelle ihren Höhepunkt erreicht haben. Denn ab Dezember wird in Österreich die Strompreisbremse sukzessive greifen und damit dem starken Anstieg der Kosten für elektrische Energie statistisch den Zahn ziehen. Wifo-Experten Josef Baumgartner zufolge sollte alleine dies die Inflationsrate in Österreich um etwa einen Prozentpunkt drücken.

Dazu kommt vor allem im nächsten Jahr der sogenannte Basiseffekt: Da vor allem ab Jänner die Teuerung stark angestiegen ist, werden bei der Inflationsberechnung die aktuellen Preise nun mit immer höheren Vorjahreswerten verglichen, was die Teuerung ebenfalls dämpfen sollte.

Allerdings ist der starke Preisauftrieb damit keineswegs ausgestanden, denn die Energie als Inflationstreiber wird im nächsten Jahr voraussichtlich durch sogenannte Zweitrundeneffekte abgelöst. Wie stark werden dazu die Lohnerhöhungen – der Handel einigte sich am Dienstagabend auf durchschnittlich 7,3 Prozent – beitragen? Droht eine Lohn-Preis-Spirale? IHS-Ökonom Sebastian Koch stützt seine Schätzung auf eine Studie der Nationalbank, wonach eine etwa siebenprozentige Lohnerhöhung in allen Branchen bis Ende 2023 zu einer Zusatzinflation von 0,7 bis 0,8 Prozentpunkten führen werde.

Preise weitergereicht

Wie schnell geben die Erzeuger und Händler ihre eigenen gestiegenen Kosten an die Kundschaft weiter? "In manchen Bereichen geht es sehr schnell, in anderen nur massiv verzögert", sagt Koch – es lässt sich also nicht über einen Kamm scheren. Zeitnah erfolgen Anpassungen an den Rohölpreis etwa bei Treibstoffen, während bei Haushaltsenergie die höheren Kosten mit Verzögerung auf die Verträge mit der Kundschaft umgewälzt werden.

Große Unterschiede gibt es auch im Handel. Bei Lebensmitteln werden höhere Preise schnell weiterverrechnet, während es bei Bekleidung und Schuhen lange keine nennenswerte Verteuerungen gab. Erst im Oktober zogen in diesem Bereich die Preise merklich an. Ein Ausreißer oder ein beginnender Trend? "Ein Wert ist zu wenig, um daraus eine Story zu dichten", sagt Koch – es müsse also abgewartet werden, ob die Entwicklung bei Mode anhalten wird.

EZB schraubt Zinsen hoch

"Erstmals seit Juni 2021 ist die Inflationsrate in der Eurozone nicht weiter gestiegen, doch von einer Entspannung kann bei weitem nicht die Rede sein", sagt Volkswirtin Ulrike Kastens vom Vermögensverwalter DWS. Der Rückgang um 0,6 Prozentpunkte im November auf zehn Prozent sei vor allem auf den Rückgang der Energiepreise zurückzuführen, da sich die Kosten für Diesel und Benzin an den Zapfsäulen ermäßigt hätten. "Bedenklicher ist der weitere Anstieg der Nahrungsmittelpreise auf 13,6 Prozent, was vor allem die gefühlte Inflation noch höher erscheinen lässt", ergänzt Kastens.

Wegen der anhaltenden Teuerungswelle in der Eurozone hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Oktober den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf nunmehr zwei Prozent erhöht. Variable und neu vergebene Kredite wurden dadurch bereits empfindlich teurer. Für die nächste Zinsentscheidung am 15. Dezember wird eine weitere Anhebung erwartet, es stehen 0,5 oder neuerlich 0,75 Prozentpunkte im Raum. Nächstes Jahr sollen weitere Zinsschritte folgen.

Die Schnellschätzungen der Statistik Austria basieren auf dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bestehenden Datenbestand, der etwa 80 bis 90 Prozent der für die Inflationsberechnung nötigen Preise umfasst. Es kann daher noch zu geringfügigen Abweichungen kommen. Die endgültigen Inflationsdaten für November werden am 16. Dezember bekanntgegeben. (Alexander Hahn, 30.11.2022)