EU-Budgetkommissar Johannes Hahn, Kommissionsvize Valdis Dombrovskis und Justizkommissar Didier Reynders legten am Mittwoch in Brüssel eine Empfehlung vor.

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Brüssel – Die EU-Kommission will Ungarn wegen Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit mehr als 13 Milliarden Euro sperren. Dies geht aus einer Empfehlung hervor, die EU-Budgetkommissar Johannes Hahn, Kommissionsvize Valdis Dombrovskis und Justizkommissar Didier Reynders am Mittwoch in Brüssel vorlegten. Neben 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt bleiben 5,8 Milliarden Euro aus dem Corona-Aufbaufonds suspendiert.

Die endgültige Entscheidung soll bei einem EU-Finanzministerrat am kommenden Dienstag fallen. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat angekündigt, dass Österreich auf die Beurteilung der EU-Kommission vertraue. Der EU-Rat hat bis zum 19. Dezember Zeit, um über eine Sperrung der Gelder zu entscheiden, erforderlich ist dafür eine qualifizierte Mehrheit. Das heißt, mindestens 15 der 27 EU-Staaten müssten zustimmen und zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.

Risiko für den EU-Haushalt

Trotz einiger von Ungarn ergriffener Maßnahmen bestehe noch immer ein Risiko für den EU-Haushalt, erklärte die EU-Kommission. "Während eine Anzahl von Reformen vorgenommen wurde oder auf dem Weg ist, hat es Ungarn verabsäumt, zentrale Aspekte der erforderlichen 17 Abhilfemaßnahmen adäquat umzusetzen", beklagte die EU-Behörde. Dafür wurde eine Frist bis zum 19. November festgesetzt.

"Diese Ecksteine sind verbindlich", sagte Reynders. Dies bedeute, dass auch keine Auszahlung aus dem EU-Aufbaufonds möglich sei, bis Ungarn alle Abhilfemaßnahmen und 27 "Super-Ecksteine" umgesetzt habe. Reynders erklärte, auch eine Teilzahlung werde es nicht geben.

Die EU-Kommission verlangt von Ungarn Maßnahmen gegen die Korruption und zur Stärkung der Justizunabhängigkeit, darunter Änderungen beim Obersten Gerichtshof und beim Verfassungsgerichtshof, die politische Einflussnahme einschränken sollen.

Europaparlament gegen Auszahlung der Hilfen

Gegen eine Auszahlung der EU-Hilfen hatte zuletzt vor allem das Europaparlament argumentiert. "Die heutige Entscheidung zum Stopp der milliardenschweren EU-Mittel für #Ungarn ist die richtige Folge von Orbáns unverantwortlichem Handeln", erklärte der erste Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP). "Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht", kommentierte der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl.

Reaktionen von SPÖ und Grünen

Die SPÖ-EU-Abgeordnete Theresa Muigg erklärte: "Es gibt mehr als genügend Beweise für eine systematische Verletzung von Rechtsstaatlichkeit durch die ungarische Regierung, die keineswegs auf dem Weg der Besserung ist. In Ungarn existieren weder freie Justiz noch freie Medien." Dieser Rechtsstaatsabbau müsse endlich Konsequenzen haben "und darf nicht auch noch durch EU-Gelder finanziert werden".

Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen, begrüßte die Empfehlung der EU-Kommission: "Als Europaparlament atmen wir erleichtert auf. Die Europäische Kommission als 'Hüterin der Verträge' hat Zähne gezeigt und ist trotz Orbáns Erpressungsversuchen bei ihrer Haltung, der Blockade von EU-Geldern, geblieben." Vana appellierte an die EU-Mitgliedsstaaten, "autokratische Regierungen nicht mehr mit EU-Geld zu unterstützen". Eine Freigabe der Mittel wäre "ein unverzeihlicher Kniefall vor Orbáns 'hybridem Regime' und seinen wiederholten Erpressungsversuchen".

Ungarn ist zuversichtlich

Trotz der Empfehlung der EU-Kommission, für Ungarn bestimmte Mittel einzufrieren, zeigt sich die Regierung in Budapest zuversichtlich, dass sie alle EU-Gelder im kommenden Jahr erhalten werde. Ungarn werde weitere Schritte unternehmen, damit die EU-Gelder fließen können, sagte der Minister für EU-Ressourcen Tibor Navracsics am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Budapest.

Das Einfrieren der Mittel sei "keine Neuheit", da der von Ungarn im September gestartete Fahrplan, um die von der EU aufgestellten Rechtsstaatlichkeitsforderungen zu erfüllen, Fristen beinhalte, die noch nicht erreicht seien, so Navracsics.

Als bedeutenden Fortschritt bezeichnete der Minister, dass die Kommission in Bezug auf den EU-Wiederaufbaufonds den ungarischen Plan zu Verwendung der Gelder formell bestätigt habe. Damit eröffne sich der Weg zur Unterzeichnung des Abkommens. Die Regierung vertraue darauf, dass der Europäische Rat dem Plan zustimme, so der Minister. Kanzleiminister Gergely Gulyás erklärte, in der zweiten Jahreshälfte des kommenden Jahres könnten 2.500 Milliarden Forint (6,15 Milliarden Euro) nach Ungarn fließen. (APA, red, 30.11.2022)