Neuseelands Gesundheitsminister Andrew Little appelliert an Eltern, sich von der Wissenschaft leiten zu lassen.

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Vor dem hohen Gericht in der neuseeländischen Stadt Auckland wird dieser Tage ein trauriger Fall verhandelt. Die Gesundheitsbehörden Neuseelands ziehen um das Sorgerecht für einen viermonatigen Buben vor Gericht, der wegen eines Herzproblems dringend eine Operation benötigt.

Das Rechtsverfahren ist deshalb nötig, weil sich die Eltern weigern, der Operation – die laut dem "New Zealand Herald" schon vor Wochen hätte stattfinden müssen – zuzustimmen. Sie argumentieren mit dem angeblichen Gesundheitsrisiko, dem der Säugling ausgesetzt würde, wenn bei der Operation Blut von Corona-geimpften Menschen als Spenderblut herangezogen würde.

Ein solches stellen die Gesundheitsbehörden freilich in Abrede. Das Blut, das in Neuseeland gespendet werde, sei nicht nach ungeimpften oder geimpften Spendern sortiert. Und wenn man dies tun wolle, würde das eine weitere Belastung des Gesundheitssystems bedeuten. Zudem gebe es keinerlei Nachteile, die sich aus der Verwendung von Blut geimpfter Menschen ergeben würden. Alle Bestandteile der Impfung würden im Blut bereits Wochen nach der Injektion abgebaut, das Blut werde zudem nach dem Spenden gefiltert. Was übrig bleibe, seien lediglich einige Antikörper gegen Covid-19. Diese allerdings ließen sich in Spenderblut ohnehin nicht vermeiden, weil nicht nur ein Großteil der neuseeländischen Bevölkerung bereits geimpft sei, sondern sich insgesamt zwei der rund fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohner schon einmal angesteckt hätten.

Vergleich mit Nazis und DDR

Die Eltern hingegen klagen vor Gericht über den Stress, den die Weigerung der Behörden, Blut von Ungeimpften zu verwenden, ihnen verursacht habe. Sie hätten 20 Menschen ausfindig gemacht, die bereit seien, für die Operation Blut zu spenden, und ihre Kriterien entsprechen würden. Zudem, so argumentiert die Anwältin des Paares, sei es falsch, die beiden als "Verschwörungstheoretiker" zu brandmarken. Es gehe ihnen auch nicht darum, die Operation zu verzögern, sagt die Anwältin Sue Gray, die selbst eine bekannte Anti-Impf-Aktivistin ist. Vielmehr gehe es um den Wunsch, die "bestmögliche medizinische Betreuung" für das Kind zu ermöglichen.

Der Prozess hat in Neuseeland beträchtliche Aufmerksamkeit erregt, insbesondere in der Anti-Impf-Gemeinschaft. Rund hundert Menschen fanden sich laut dem "Guardian" zu der Verhandlung ein. Vor dem Gericht demonstrierten Impfgegner mit Plakaten, die den Staat mit der DDR-Staatssicherheit Stasi und das Vorgehen der Behörden mit den Nürnberger Rassengesetzen der Nazis verglichen. Gesundheitsminister Andrew Little appellierte an betroffene Eltern, Entscheidungen über die Gesundheit ihrer Kinder "mit Sorgfalt" zu treffen und sich von der Wissenschaft leiten zu lassen.

Wie der Verfahren ausgehen wird, ist noch nicht abzusehen – eine Entscheidung sollte es aber bald geben. Die zuständige Richterin hat laut Radio New Zealand für kommende Woche einen Termin für eine vollständige Anhörung aller Beteiligten festgelegt. (red, 30.11.2022)