Die Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten und Konsumentinnen spürt der Handel – aber zu Weihnachten geben die Menschen trotz schwieriger Zeiten Geld aus.

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Der Handel hat sich nun also auf einen neuen Kollektivvertrag geeinigt. In letzter Minute und erst in der fünften Runde. Wäre das Dienstag am späten Abend nach viel Getöse und lauten Drohungen nicht gelungen, hätte am zweiten Wochenende im Advent ein weiterer Warnstreik gedroht.

Auch wenn die Handelsvertreter angesichts der gewerkschaftlichen Streikdrohung signalisierten, eine Arbeitsniederlegung könne sie nicht erschrecken: Tatsächlich wäre eine solche für viele Betriebe ein echter Schaden, selbst wenn es nur um zwei bis drei Stunden geht – der zweite Einkaufssamstag ist traditionell für die Händler ein sehr wichtiger Tag im Weihnachtsgeschäft. Und das Weihnachtsgeschäft ist eines der wichtigsten im gesamten Jahr.

Schwierige Zeiten

Zu verschenken haben die meisten Unternehmen derzeit nichts. Selbst wenn manche Branchen wie etwa der Lebensmittelhandel gut durch die Corona-Krise gekommen sind: So mancher kleine Händler kämpft derzeit ganz besonders schwer mit steigenden Kosten – nicht nur bei Energie, sondern auch bei den höheren Einkaufspreisen. Dazu kommt die Zurückhaltung der Konsumenten und Konsumentinnen. Viele von ihnen überlegen heuer angesichts der dramatisch gestiegenen Energiepreise dreimal, ob und wofür sie ihr Geld ausgeben können und wollen. Ein Streik würde die Laune weder bei den Verbrauchern noch bei den Betrieben heben.

So gesehen ist die Einigung im Interesse aller. In Summe zählt der Handel quer durch Österreich immerhin an die 100.000 Standorte und beschäftigt 430.000 Menschen. In ohnehin schwierigen Zeiten noch mehr Sand ins Getriebe zu streuen wäre höchst unerfreulich. Eine vernünftige Lösung ist da eindeutig die bessere Wahl. Das haben offenbar auch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer erkannt.

Zu viel oder zu wenig?

Auch wenn alle Beteiligten Abstriche machen mussten – wie es für Lohnverhandlungen in schwierigen Zeiten auch nicht überraschen kann. Zur Erinnerung: Auf ein Plus von zehn Prozent pochten die Arbeitnehmer im Vorfeld der Verhandlungen. Geboten wurden ihnen damals vier Prozent mehr in Verbindung mit Einmalzahlungen. Einmalzahlungen lehnte die Gewerkschaft rundheraus ab. Mit gutem Grund. Die Preise werden im Großen und Ganzen noch länger und in vielen Bereichen für immer hoch bleiben. Eine Einmalzahlung hätte das trotz steuerlicher Begünstigung kaum abgefedert und verpufft zudem rasch. Jetzt wurde es am Ende ein Plus bei den Gehältern von 7,31 Prozent.

Zu viel oder zu wenig? Schaut man genauer hin, ist das ein Ergebnis, das der schwierigen Lage angemessen ist, und ein Kompromiss, mit dem alle leben werden können und natürlich auch müssen: Die Gehälter und Lehrlingsentschädigungen steigen um mindestens sieben Prozent bzw. mindestens 145 Euro brutto monatlich. Im Schnitt rechnen die Arbeitgeber mit einem Plus von 7,19 Prozent. Die Gewerkschaft spricht von den genannten 7,31 Prozent mehr Gehalt. Als Richtschnur diente die Inflationsrate von 6,9 Prozent. Üppig ist das absolute Plus in den Börseln der Beschäftigten also nicht. Vor allem wenn man in Rechnung nimmt, dass knapp 37 Prozent der Handelsangestellten in Teilzeit werken. Aber es geht in die richtige Richtung.

Mehr beim Einstieg

Das Einstiegsgehalt steigt von derzeit 1.800 Euro auf 1.945 Euro im Monat und damit zumindest um 8,06 Prozent. Damit steigen auch die Einkommen der Lehrlinge im Handel etwas stärker. Im ersten Lehrjahr erhalten die Nachwuchskräfte künftig 800 Euro, im zweiten Lehrjahr 1.025 Euro, im dritten Lehrjahr 1.300 Euro und im vierten Lehrjahr 1.350 Euro.

In einer Niedriglohnbranche wie dem Handel, die ohnehin alle Mühe hat, genügend Nachwuchskräfte anzuziehen, ist das nicht das oberste Limit, wie die Arbeitgeber sagen, sondern vielmehr das unterste. Das Lohnniveau muss steigen, selbst wenn sich so manche Branchen schwertun werden, die weiter steigenden Lohnkosten zu schlucken. (Regina Bruckner, 30.11.2022)