Der Ausbruch des größten aktiven Vulkans der Welt hat auch Folgen für die Wissenschaft. Am Montag erwachte der Mauna Loa auf Big Island, der größten Insel Hawaiis, erstmals seit 1984 wieder aus dem Schlaf, aus mehreren Spalten des Schildvulkans treten Lavaströme aus. Bewohnte Gebiete sind derzeit nicht akut gefährdet, nun sind aber erste Infrastrukturschäden zu beklagen. Getroffen hat es eine geschichtsträchtige wissenschaftliche Einrichtung: Der bisher größte Lavastrom erreichte die Zugangsstraße zum Mauna Loa Observatory, einer wichtigen Treibhausgas-Messstation auf dem Vulkan.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Die auf 3.397 Meter Höhe gelegene Mauna-Loa-Messstation.
Foto: AP/Susan Cobb

Die Stromversorgung wurde unterbrochen, die Messungen mussten vorübergehend eingestellt werden. Die Station sei derzeit nicht zugänglich, hieß es von der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA), die die Einrichtung betreibt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien in Sicherheit, wann der Betrieb wiederaufgenommen werden kann, ist aber unklar.

DER STANDARD

Längste CO2-Messreihe

Die Station auf dem Mauna Loa spielt in der Geschichte der Klimaforschung eine prominente Rolle. Auf der Nordflanke des Bergs, in 3.397 Meter Höhe, startete der US-amerikanische Forscher Charles Keeling 1958 ein Langzeitexperiment mit unschätzbarem Wert – und erschreckenden Ergebnissen: Keeling errichtete eine Station zur Messung von CO2 in der Atmosphäre und dokumentierte eine rasante Zunahme des Treibhausgases. Die grafische Darstellung des CO2-Konzentrationsverlaufs, die steil nach oben zeigt, ging als "Keeling-Kurve" in die Geschichte ein und wurde zum wichtigen Beleg für den vom Menschen verursachten Klimawandel.

Schaulustige beobachten einen Lavastrom des Mauna Loa.
Foto: AP/Marco Garcia

Die Messreihe vom Mauna Loa ist die längste kontinuierliche Aufzeichnung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Nun werde überlegt, ob und wie die Messgeräte geborgen und an einen anderen Ort gebracht werden können, sagte der Atmosphärenforscher Ralph Keeling, Sohn des Stationsgründers Charles Keeling und selbst langjähriger Leiter der Forschung auf dem Mauna Loa. "Das ist nicht das Ende der Aufzeichnungen", sagte Keeling zum "New Scientist", die Wiederherstellung der Stromversorgung und des Zugangs zum Observatorium könne aber Monate dauern.

Steile Kurve

Inzwischen wird die CO2-Konzentration an vielen andere Standorte auf der ganzen Welt dokumentiert, seit 1999 etwa auch am österreichischen Sonnblick-Observatorium. Die Messungen am Mauna Loa seien aber einzigartig, sagte Keeling. "Es ist die längste kontinuierliche und detaillierte Aufzeichnung. Selbst kurze Lücken im Datensatz könnten ihren Wert mindern."

Ein Blick auf den Verlauf der langen Messreihe ist ernüchternd: Keelings erste Messung im März 1958 ergab eine atmosphärische CO2-Konzentration von 313 parts per million (ppm). Im Jahr 2021 lag die durchschnittliche CO2-Konzentration bei einem Rekordwert von 415,5ppm – und schon längst steht fest: 2022 liegt darüber.

Dritte Zwangspause

Warum würde man überhaupt einen Vulkan als Standort für Treibhausgas-Messungen wählen? Charles Keeling entschied sich in den 1950er-Jahren aus mehreren Gründen für den Standort: Er liegt hoch und fernab von Verkehr, Industrieproduktion und Vegetation und damit von kontinuierlichen Störquellen für die Messungen. Einträge durch Vulkanismus kommen zwar manchmal vor, lassen sich aber aus den Daten entfernen. Zudem ergaben Luftproben einen guten Durchschnittswert für den zentralen Pazifikraum.

Erst zweimal in der Geschichte des Observatoriums kam es zu Unterbrechungen der Messungen: In den 1960er-Jahren erzwangen Budgetkürzungen eine mehrmonatige Schließung, und auch der letzte Ausbruch des Mauna Loa 1984 machte eine Zwangspause erforderlich. (David Rennert, 1.12.2022)