Sie wandern durch Europa, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen: die "Wanderers of Changing Worlds".

Foto: Jasmin Spreer

Nina Kolarzik bei ihrer Wanderung durch Europa. 20 bis 30 Kilometer legt sie pro Tag im Schnitt zurück, immer mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken. Eine nicht unanstrengende Form des Klimaaktivismus.

Foto: Jasmin Spreer

Im Oktober ist die Anzahl der Wanderer, die einem im Süden Dänemarks auf Wegen, eingebettet zwischen Wäldern, Feldern und Runensteinen, begegnen, überschaubar. Deutlich übertroffen wird sie von der Zahl der Wildgänse am Himmel, die den Norden verlassen. Am Boden hat Nina Kolarzik dieselbe Richtung eingeschlagen, zunächst per Rad in Norwegen und Schweden, ab Dänemark dann zu Fuß. Innerhalb von drei Wochen wanderte die gebürtige Erfurterin für den "Climate Walk" von Kopenhagen bis in das norddeutsche Flensburg. Die letzten zwei Wochen begleitete ich Kolarzik auf dem Weg.

Die Frauen und Männer, die am Climate Walk teilnehmen, starteten im Juni am Nordkap in Norwegen. Der Weg führte das sogenannte "Team North" über Skandinavien und Deutschland bis zum aktuellen Standort in den Niederlanden. Im September startete auch das "Team South" am Cabo da Roca in Portugal. 17 Länder sollen beide Teams durchwandern, bevor sie im April kommenden Jahres gemeinsam in Wien ankommen. Das Ziel der Aktion ist es, von den Menschen in den unterschiedlichen europäischen Regionen zu erfahren, ob sie den Klimawandel bemerken, wie sie ihn wahrnehmen und wie er sie betrifft. Dafür sprechen die Climate Walker mit Einheimischen, die sie auf ihrem Weg zufällig treffen, sie vernetzen sich aber auch mit anderen Aktivistinnen, Aktivisten und NGOs.

Bis zu 30 Kilometer pro Tag

20 bis 30 Kilometer gehen wir durchschnittlich pro Tag. Von 13 gemeinsam verbrachten Tagen enden sieben in einem Zelt oder einem "Shelter", einem der in Dänemark frei zugänglichen Holzunterstände. Trotz der vorwiegend sonnigen, warmen Tage fällt die Temperatur nachts teils in den einstelligen Bereich. Das hat einen Vorteil: Die Nachtruhe im Schlafsack beginnt früh.

Die Idee einer Klimawanderung durch Europa entstand 2019, im Jahr darauf wurde daraus der Wiener Verein Europäische Klimawanderung. Aufgrund der Einschränkungen durch die Pandemie konnte das Projekt im Jahr 2021 nicht wie geplant starten. Es gab jedoch einen Probelauf auf österreichischem Boden, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch alle neun Bundesländer führte. Dieses Jahr geht es nun durch Europa.

Für Kolarzik ist der Climate Walk eine Möglichkeit, etwas Sinnvolles beizutragen. Ohne ihn würde sie sich nicht als Klimaaktivistin bezeichnen, sagt die junge Frau, die "Peace, Mediation and Conflict Research" im Master studiert.

Anstrengender Aktivismus

Diese Art des Klimaaktivismus erweist sich jedoch auch als Herausforderung. Die Schlafplatzorganisation, körperliche Schmerzen, geplatzte Treffen mit Partnerorganisationen – all das zehrt an den Kräften. Es gebe auch Momente, in denen das Ansprechen fremder Menschen mehr Überwindung benötigt, sagt Kolarzik. Und doch seien das bisher in der Regel "die besten Momente gewesen".

Die Däninnen und Dänen berichten von mehr extremen Regenfällen, Trockenperioden und milderen Wintern. Auch die zum Befragungszeitpunkt noch anstehende dänische Parlamentswahl wird angesprochen. Laut einigen ist das Klima im Wahlkampf kein Thema, andere sehen es wiederum als eines, das parteiübergreifend vorkommt.

Veränderungen durch die Erderwärmung wollen aber nicht alle in Dänemark bemerken. Auch eine Frage fällt, die die Klimawanderer und Klimawanderinnen nicht unbedingt beantworten wollen, nämlich: "Ist das schon der Klimawandel?" Kolarzik sagt dazu: "In meinem Verständnis geht es nicht unbedingt darum, den Klimawandel zu messen, sondern darum, welche Rolle er im Leben der Leute spielt."

Erneuerbare Energien

Auf internationaler Ebene wird der Klimaschutz Dänemarks derweil positiv wahrgenommen. Im kürzlich veröffentlichten Klimaschutz-Index (CCPI) 2023, in dem die Klimaschutzbemühungen von 59 Ländern und der Europäischen Union bewertet wurden, konnte sich das Land wiederholt die beste Platzierung sichern, in diesem Fall Platz vier. Erneut reichten jedoch die Bemühungen von keinem Staat aus, um einen der ersten drei Plätze zu erreichen, hielten die Verantwortlichen des Berichtes fest. Dänemark hat seine Platzierung auch aufgrund der guten Bewertung in der Kategorie "Erneuerbare Energien" erhalten. Windenergie spielt in dem nordischen Land eine wichtige Rolle. In der Praxis sehen wir dafür überraschend wenige Windräder. Das Thema "Energie" hingegen erweist sich als stetiger Begleiter.

Sein Einfluss auf den Alltag der Menschen zeigt sich im Haus von Birgitte Trap Friis, bei der wir eine Pause einlegen. Um einen möglichst geringen Stromverbrauch bittet die pensionierte Lehrerin, während ein Stockwerk höher bereits alle unsere elektronischen Geräte laden. Sie berichtet von der App "Min Strøm", mit der sie die tägliche Entwicklung des Strompreises verfolgt. Sie wartet auf windige Tage. Denn dann will sie die Waschmaschine nutzen.

Erkenntnisse aufbereiten

Nach mehr als 400 Kilometern zu Fuß endet für Nina Kolarzik die dänische Etappe des Climate Walk. Es übernimmt nun Eva-Maria Holzinger. Die studierte Kultur- und Sozialanthropologin und Human- und Sozialökologin ist die Ideengeberin des Projekts. Sie soll das Team North nach Wien führen. Zurück von der Wanderung, sollen die Erkenntnisse aus den Gesprächen, den informellen Interviews, einer europaweiten Umfrage und den täglich protokollierten Landschaftswahrnehmungen medial und wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Es gibt auch die Idee, eine Wanderausstellung und einen Wanderführer zu gestalten.

Für sie habe sich durch das Projekt bisher gezeigt, dass Menschen den Klimawandel abhängig von der natürlichen und kulturellen Landschaft, in der sie leben, wahrnehmen, sagt Holzinger. (Jasmin Spreer, 1.12.2022)