In die Gänge kam die Sache erst durch eine verschlüsselte Nachricht: "ich habe Ein Freund er hat mehrere kinder ;-) Er will das kaufen, braucht sogar 2 3 Stück wann du besorgen kannst". Der Iraner Seyedmaziyar Y. verschickte sie Anfang April 2020 über ein illegales Handy aus der Justizanstalt Hirtenberg – und wurde zum Mittelsmann eines Waffendeals für einen Terroristen.

Die Nachricht erging an Adam M. Der Tschetschene dürfte wissen, wie er solche Codes lesen muss. Potenzielle Käufer meldeten sich in der Vergangenheit bei ihm wegen "Sakkos", "sauber" oder "schmutzig", oder wegen eines "Eisenanzugs" für 1000 Euro, der für "eine Hochzeit" verfügbar sei. Adam M. bot aber auch "Äpfel" feil. Ermittler gehen davon aus, dass er in den sichergestellten Chats mit Waffen und Granaten dealte.

Den Waffenkauf hatten die Ermittler nach dem Anschlag in Wien rasch rekonstruiert, weil die "Dealer" teils kooperativ waren.
Foto: Reuters / Radovan Stoklasa

Am Donnerstag muss sich der Tschetschene im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts allerdings für das verantworten, was aus dem Auftrag von Seyedmaziyar Y. wurde. Der 32-jährige Adam M. hatte damals nicht irgendjemanden mit Waffen und Munition versorgt, sondern den Jihadisten K. F., der am 2. November 2020 in Wien vier Menschen erschoss und etliche weitere verletzte. Dass er bei den Übergaben an den späteren Attentäter dabei war, gab er bereits zu. Als wahren Waffenverkäufer belastete aber er seinen mutmaßlichen slowenischen Komplizen Marsel O. (siehe Kasten). Adam M. sitzt seit bald zwei Jahren im Gefängnis und ist einer der sechs Hauptangeklagten im Prozess rund um den Terroranschlag. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in die Pläne des Terroristen eingeweiht gewesen zu sein.

"Küss dein Herz"

Das soll auch auf Ishaq F. zutreffen. Der 22-Jährige steht ebenfalls wegen des Waffendeals vor Gericht. Er fädelte für K. F. den Kontakt zu Seyedmaziyar Y. ein – einem Ex-Mithäftling von Ishaq F. Über illegale Handys tauschten sich die beiden über das "Paket" aus, das eine Kalaschnikow war. Ishaq F. war darauf bedacht, dass K. F. möglichst schnell an die Waffe kam. Das legen Chats nahe. Als Seyedmaziyar Y. die Handynummer von seinem "Bruder" Adam M. weiterleitete, schrieb er: "Küss dein Herz."

Dass Ishaq F. von den Anschlagsplänen seines Kindheitsfreundes K. F. gewusst haben könnte, machen Ermittler an dessen eigener Aussage fest. Der spätere Attentäter soll schon im Gefängnis über den Wiener Stephansplatz als Ziel fantasiert haben.

Im Falle eines Schuldspruchs drohen Adam M. 20 Jahre oder lebenslang, Ishaq F. maximal 20 Jahre, weil er zum Tatzeitpunkt jünger als 21 Jahre war.

Aber um wen geht es eigentlich in diesem Prozess? DER STANDARD hat noch einmal alle Angeklagten und die wichtigsten Zeugen in einem knappen Überblick zusammenfasst:

Die Angeklagten

Am Ende waren es 27 Personen, die im fast 300 Seiten dicken Abschlussbericht des Verfassungsschutzes mit dem jihadistischen Terroranschlag in Wien auf die eine oder andere Weise in Verbindung gebracht wurden. Sechs davon müssen sich als Hauptbeschuldigte vor Gericht verantworten.

Arijanit F.

Der 23-jährige Kosovare wurde im März als einziger Angeklagter aus der Haft entlassen. Vor Gericht verantworten muss er sich dennoch. Er fuhr den späteren Wiener Terroristen K. F. nach einem Jihadistentreffen in Wien in die Slowakei. K. F. versuchte dort vergeblich Munition für ein Sturmgewehr zu kaufen, das er beim Anschlag verwendete.

Ismail B.

Der unbescholtene 22-Jährige war eine der letzten Personen, die K. F. lebend sahen. Ismail B. und Burak K. hatten diesen kurz vor dem Anschlag noch an seiner Wohnadresse besucht. Man habe nur ein Buch vorbeibringen wollen, beteuerten die jungen Männer. Die Ermittler glauben eher, dass sie K. F. in seinen Plänen bestärkt haben könnten und anwesend waren, als dieser sein Bekennervideo aufnahm.

Burak K.

Der 24-jährige Burak K. sah K. F. nicht nur am Tag des Anschlags. Die beiden verband mehr. Sie wollten 2018 gemeinsam nach Syrien ausreisen, um sich den IS-Terroristen anzuschließen. Das scheiterte, und die beiden wurden deshalb auch bereits verurteilt. Burak K. soll aber auch versucht haben, 2020 für K. F. gefälschte Identitätsdokumente für eine erneute Ausreise zu besorgen.

Heydayatollah Z.

Teile der Familie des 28-Jährigen wird in den Akten als radikalislamistischer Clan beschrieben. Nun gilt der mehrfach vorbestrafte Heydayatollah Z. für die Ermittler als engster Komplize des jihadistischen Attentäters. Nicht nur weil er zwischenzeitlich K. F.s Wohnung gelebt hat, sondern auch auf allen Tatwaffen seine DNA sichergestellt wurde.

Adam M.

Anfangs sträubte sich der Tschetschene noch, dann packte er aus. Der 32-jährige Adam M. gab mittlerweile zu, am Verkauf von Waffen und Munition an den späteren Terroristen beteiligt gewesen zu sein. Die Übergaben sollen im Juni und September 2020 stattgefunden haben. Adam M. selbst sieht sich aber nur als Vermittler, der auch Provision für seine Dienste kassiert habe. Als wahren Waffenverkäufer belastete er den Slowenen Marsel O.

Ishaq F.

Der 22-jährige kannte K. F. seit Kindheitstagen in Wien-Liesing. Ishaq F. wurde bereits zweimal wegen Terrorismusdelikten verurteilt, zuletzt auch wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. Er hielt über ein illegales Handy in Haft Kontakt mit K. F. und soll über einen damaligen Mithäftling den Draht zum mutmaßlichen Waffenduo Adam M. und Marsel O. gelegt haben.

Die Zeugen

Mehr als 20 Personen wurden bisher laut Anklageschrift als Zeugen für den Terrorprozess geladen. Wie gesprächig und hilfreich sie sein werden, wird sich zeigen. Wissen dürften sie aber einiges. Die Zeugen hatten entweder direkt mit dem Wiener Attentäter zu tun oder auch mit dessen Umfeld.

Gun-Shop-Angestellte

Die Aussagen der Angestellten des Waffenladens sind wesentlich. In ihrem Geschäft hatte der bereits amtsbekannte K. F. versucht Munition für ein Sturmgewehr zu kaufen. Wegen eines fehlenden Waffenscheins war das gescheitert. Die slowakischen Behörden meldeten das den österreichischen. Die Information blieb dort aber zu lange liegen.

Argjend G.

Ermittler sagen ihm nach, dass auch er K. F. radikalisiert habe. Der 24-jährige Nordmazedonier habe sogar eine Wohnung in St. Pölten angemietet, um Jihadisten zu vernetzen – darunter K. F. Die Beweislage blieb aber so dünn, dass G.s Fall getrennt verhandelt wurde. Im Oktober fasste er 19 Monate wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung aus. Da er nach dem Anschlag schon zwei Jahre in Haft war, kam er frei.

Esra G.

Die 26-Jährige ist nach islamischem Recht mit dem angeklagten Heydayatollah Z. verheiratet. Diesem verschaffte sie für den Tag des Anschlags zunächst ein falsches Alibi, korrigierte das aber im Nachhinein. Esra G. wird in den Akten ebenfalls dem radikalislamistischen Milieu zugerechnet: Sie soll mit ihrem Mann IS-Propagandamaterial bearbeitet und weitergeleitet haben.

Seyedmaziyar Y.

Bei dem wegen diverser Suchtmitteldelikte inhaftierten 34-jährigen Iraner soll es sich praktisch um den Vermittler des mutmaßlichen Waffenvermittlers Adam M. handeln. Ishaq F. traf im Gefängnis auf Seyedmaziyar Y. Dieser soll seinem jungen Mithäftling als "Beweis" für seine Kontakte das Foto einer Kalaschnikow gezeigt haben.

Marsel O.

Der 30-Jährige lässt sich nicht in die Karten blicken. Der angeklagte Adam M. belastete den Slowenen zwar als mutmaßlichen Waffenlieferanten für den Wiener Jihadisten K. F. Aber die Staatsanwaltschaft konnte ihm nicht nachweisen, dass er von den Terrorplänen gewusst hatte – weshalb er lediglich als Zeuge geladen ist. In Österreich dürfte er laut Akten zum Schein gemeldet und seine Einkommensverhältnisse nicht nachvollziehbar sein.

Jaser Z.

Geht es nach Jaser Z., so sei K. F. "total deppert im Kopf gewesen". Der 23-jährige Nordmazedonier war mit dem späteren Terroristen in Haft. Dieser habe andauernd erzählt, dass er in Syrien kämpfen wolle, sagte Jaser Z. aus. Ob K. F. ihm gegenüber Pläne eines Anschlags auf dem Wiener Stephansplatz erwähnt hatte, wie Ex-Mithäftling Ishaq F. angab, kann Jaser Z. nicht ganz ausschließen. ((Jan Michael Marchart, 1.12.2022)