Patricio Hetfleisch zeigt sich irritiert, dass niemand aus der Tiroler Landwirtschaftskammer vorab Kontakt aufgenommen hat.

Foto: Lebensraum Tirol /Oss

Wer in Tirol den Anschein erweckt, die heilige Kuhmilch zu schmähen, muss mit hartem Gegenwind rechnen. Einem solchen Windstoß ist derzeit die Tirol-Werbung ausgesetzt. In einem Werbevideo bestellt ein Krampus bei einer Tirolerin einen Latte macchiato, aber mit Hafer- statt Kuhmilch. Das brachte die Tiroler Landwirtschaftskammer in Rage: In einer öffentlichen Aussendung prangerte Landwirtschaftskammerchef und ÖVP-Nationalratsabgeordneter Josef Hechenberger fehlenden Respekt gegenüber der Bauernschaft an. Er zeigte sich "extrem schockiert" ob der fehlenden Sensibilität bei der Tirol-Werbung.

Im Interview erzählt Patricio Hetfleisch, Chef der Marketingabteilung bei der landeseigenen Tirol-Werbung, über die historische Bedeutung von Hafer in Tirol und erklärt die Entscheidung, im Video Hafermilch verlangen zu lassen, damit, auch neue Zielgruppen ansprechen zu wollen. Interventionen der Politik dementiert er.

STANDARD: Herr Hetfleisch, was ist tirolerischer: Kaffee, Milch oder Hafer?

Hetfleisch: In Tirol ist die Milchwirtschaft eine sehr bedeutende. Veredeltes Gras, das zur Milch wird, gehört mittlerweile zur Identität des Landes und ist ein wertvoller Rohstoff. Aufgrund der Topografie ist der Getreideanbau nur beschränkt möglich. Dennoch war Hafer bereits zur Römerzeit die Grundlage der bäuerlichen Ernährung in Form von Grütze. Das hat die Menschen durch die harten Winter gebracht und wird auch immer noch angebaut. Und Kaffee wächst zwar nicht auf den Thaurer Feldern, gehört aber aufgrund unserer Nähe zu Italien seit langem zur Alltagskultur.

STANDARD: Was ist also das Problem, wenn sich der Krampus seinen Latte macchiato mit Hafermilch bestellt?

Hetfleisch: Es gibt zwei Ebenen: Auf der einen Seite hat uns die Landwirtschaftskammer Niederösterreich darauf hingewiesen, dass laut Lebensmittelverordnung Hafermilch nicht als Milch bezeichnet werden darf. Diese Bestimmung gilt für die Produktwerbung, als öffentlich-rechtliche Institution habe ich auch die Tirol-Werbung in der Verantwortung gesehen, dem Rechnung zu tragen. Auch im Sinne einer kooperativen Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft. Diese sehr wertschätzende und sachlich gehaltene E-Mail aus Niederösterreich war der erste Anlass, die Kampagne zu bremsen. Die zweite Ebene ist eine der Wertschätzung. Kann das Video als Minderschätzung der harten bäuerlichen Arbeit gelesen werden? Um das zu vermeiden, haben wir den Weg gewählt, eine ironische Pointe zu machen. Diese Pointe war leider offensichtlich für manche nicht verständlich genug.

STANDARD: Wie kam es dazu, dass sie sich für eine Bestellung mit Hafermilch entschieden?

Hetfleisch: Eines unserer Ziele bei dieser Kampagne war, eine sich verändernde Zielgruppe anzusprechen. Mittlerweile gibt es viele Menschen, die laktoseintolerant sind und keine Kuhmilch trinken können. Oder vor allem junge Menschen, die aufgrund ökologischer Überlegungen zu pflanzlichen Alternativen greifen. Auf diesen Wandel in unserer Zielgruppe müssen wir uns vorbereiten. Das ist uns gelungen, die Art und Weise, die feine Klinge der Ironie, ist aber missverstanden worden.

STANDARD: Die Tiroler Bauern fühlen sich "nicht entsprechend respektiert".

Hetfleisch: Diese emotionale Aussendung der Tiroler Landwirtschaftskammer kam als Anklage an die Öffentlichkeit. Es tut uns leid, wenn Menschen dieses Video möglicherweise in den falschen Hals bekommen haben. An mangelnder Wertschätzung für unsere Bauern liegt das aber nicht.

STANDARD: Was denken Sie über die Beschwerde der Tiroler Bauern?

Hetfleisch: Ich war irritiert über die Vehemenz, mit der die Kritik vorgetragen ist, und über das banale Faktum, dass niemand zuvor mit uns im Hintergrund Kontakt aufgenommen hat. Wir wären für Gespräche bereit gewesen.

STANDARD: Müssen Sie ab sofort jede Ihrer Kampagnen mit der Tiroler Bauernschaft abstimmen?

Hetfleisch: Davon gehe ich jedenfalls nicht aus. Wir haben immer sehr autonom und auf Basis von professioneller Meinungsforschung über Themensetzung und über die Geschichte, die wir in unseren Kampagnen erzählen wollen, entscheiden können.

STANDARD: Hat sich bei Ihnen die Politik gemeldet?

Hetfleisch: Es gab diesbezüglich gar keine Intervention. Natürlich haben uns die verantwortlichen Politiker ihre Standpunkte mitgeteilt.

STANDARD: Wie trinken Sie eigentlich Ihren Kaffee?

Hetfleisch: Ich trinke meinen Latte macchiato mal mit Hafer- und mal mit Kuhmilch. Ich bin ein großer Kaffeefan und variiere die Geschmackskomponenten. Wenn Kuhmilch in meinen Kaffee kommt, dann aber natürlich eine Tirol-Milch oder die Zillertal-Milch. (Laurin Lorenz, 30.11.2022)